Wenn Profis miteinander spielen

Musik

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Die Zuger Sinfonietta versteht sich als Profiorchester mit einer Mission: Musik soll nicht nur gespielt, sondern auch vermittelt werden. Das tut die Sinfonietta mit einer Ladung innovativer Angebote.

  • Die Zuger Sinfonietta erobert neues Terrain - hier im Theater Casino Zug. (Bild: PD)
    Die Zuger Sinfonietta erobert neues Terrain - hier im Theater Casino Zug. (Bild: PD)

Zug – Dieser Text ist in der Septemberausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Artikeln.

Lion Gallusser läuft beschwingt durchs Quartier auf der Suche nach einem Café, in dem wir uns über die Zuger Sinfonietta unterhalten können. Und es gibt allen Grund, beschwingt zu sein: Der Zuger Sinfonietta ist wieder ein Coup gelungen. Auf einen Schlag hat sie ihre Abonnemente-­Basis um mehr als zwei Drittel gesteigert – indem sie nach Zug expandiert hat. «Wir können in Zusammenarbeit mit dem Theater Casino Zug und der TMGZ neu auch Abokonzerte in Zug anbieten», sagt Gallusser, der Intendant des Zuger Profi-Orchesters. «Innerhalb kurzer Zeit haben wir nun schon rund 160 neue Abonnentinnen gewinnen können.» 

Was steckt hinter dem Erfolg?
Das sind ungewöhnlich gute Nachrichten aus einer postpandemischen Kulturwelt, die immer noch um ihr Publikum kämpft. Und es sind nicht die einzigen. Irgendwie schafft es die Zuger Sinfonietta immer wieder, mit neuen Ideen und Angeboten zu überraschen: Konzerte für Kinder und Familien, bald solche für Kleinkinder und ältere Menschen, Konzerte für Schulklassen, weitere Musikvermittlung mit Konzerteinführungen und künftig Nachgesprächen mit den Künstler:innen, anstehende Gastspiele in der Tonhalle Zürich und im KKL. 
Oder neue Formate wie «Klassik im Kontext» in der kommenden Saison, bei dem die Musik von Bildern aus der Entstehungszeit des Werks begleitet werden. Was steckt hinter all dem? Und wie schafft es ein kleines Orchester wie die Sinfonietta, neben dem laufenden Programm so konsistent Innovation zu betreiben? 

Mehr Resilienz
Einer der Erfolgsfaktoren sitzt gerade am Tisch: Lion Gallusser hat die Geschäftsstelle 2021 übernommen und baut diese nachhaltig aus. 
«Als ich angefangen habe, konnte ich direkt einsteigen, mein Vorgänger Simon Müller hat wichtige Projekte umgesetzt, die Früchte tragen.» 
Die Abokonzerte waren der erste grosse Schritt in eine neue Zukunft, damals, im Jahre 2016, haben sie der Sinfonietta ein gehöriges Stück Resilienz und Planbarkeit verpasst: Abonnent:innen konnten bislang alle Konzerte der Sinfonietta im Chamer Lorzensaal besuchen.  
«Gerade in der Pandemie hat uns das sehr 
geholfen», sagt Gallusser. Die Abozahlen seien zwar etwas geschrumpft, aber dann stabil geblieben. Nun wachsen sie wieder. Gallusser konnte das Konzept weiterentwickeln. «Wir haben gemerkt, dass wir mit den Abos besonders Leute aus dem Ennetseegebiet ansprechen», sagt er. «Da spielt offenbar die Nähe eine Rolle. Deshalb ist bei uns – mit Blick auf den östlichen Kantonsteil – die Idee entstanden, dasselbe auch in der Stadt Zug anzubieten. Nun spielen wir neu jedes Konzert zweimal – einmal in Cham und einmal im Theater Casino Zug.» 

Doppelt so viele Konzerte
Eigentlich habe man damit gerechnet, dass mehr Abonnent:innen von Cham nach Zug wechseln würden – das war aber nur bedingt der Fall. «Mittlerweile haben wir in Cham bereits mehr Abonnent:innen als letzte Saison, und in Zug sind es bereits gut 150.» Neuerdings dürfen Abonnent:innen bei zwei Konzerten auch entscheiden, ob sie sie in Cham oder Zug besuchen möchten. «Das schafft für unser Publikum mehr Flexibilität», sagt Gallusser. «Und das ist nur möglich dank der tollen Zusammenarbeit mit dem Theater Casino Zug und der TMGZ, die voll hinter unserem gemeinsamen Konzept steht.» Das Projekt sei schon mit dem Interims-Intendanten Phil Dankner angedacht worden, mit der neuen Intendantin des Theater Casinos, Ute Haferburg, sei die Umsetzung dann sehr schnell möglich geworden. 
Die Sinfonietta findet damit nicht nur Wege, neues Publikum zu gewinnen, sie verdoppelt gleichzeitig die Anzahl ihrer Auftritte. Gerade aus künstlerischer Sicht sei dies essenziell, da mit dem fast gleichen Probenaufwand zwei Mal gespielt werden kann. Das klingt alles etwas technisch – dabei geht es hier um Herzblut.
Gallusser nippt am Cappuccino und stellt klar: «Die Zuger Sinfonietta ist ein Profiorchester, das heisst, alle Mitglieder sind professionelle Musikerinnen und Musiker. Wir möchten eines der führenden Orchester der Zentralschweiz sein, und wir sind auf gutem Weg dahin – das geht aber nur, weil unsere Mitglieder auch so motiviert dafür sind und unser wunderbarer Chef­dirigent Daniel Huppert die Qualität des Klangkörpers kontinuierlich steigert.» Die Sinfonietta ist ein Projektorchester: Für jedes Konzertprojekt setzt sich das Orchester neu zusammen, es besteht aus einem Stamm von 23 Mitgliedern, je nach Bedarf werden weitere Musiker:innen aus dem erweiterten Umfeld dazu angefragt. Und wenn sie können, sind sie dabei. 
«Man merkt, dass die Mitglieder versuchen, ihre Teilnahme immer möglich zu machen – leichtfertig sagt da niemand ab. Und auch unser ehrenamtlich wirkender Vorstand ist hochprofessionell mit dabei – so etwas habe ich bei einem Vereinsvorstand noch nie erlebt: Wenn man eine Idee einbringt, bekommt man meist sofort oder spätestens am nächsten Tag Feedback. So kann man Projekte schnell voranbringen.» 

Projekte für die Zukunft
Als Projektorchester hat die Sinfonietta keine feste Bleibe: Man probt, wo es möglich ist. Und schleppt entsprechend oft Notenständer und andere Infrastruktur hin und her. Gallusser sagt dazu etwas sehnsüchtig: «Ein eigenes Probe­lokal wäre eine grosse Entlastung – einfach auch wegen des ganzen Materials. In der Zwischenzeit sind wir immer wieder auf Räume angewiesen, die wir teilweise zum Glück auch gratis nützen dürfen.»
Solche Projekte gibt es noch genug: Die Sinfo­nietta möchte die Musikvermittlung als Hauptfokus voranbringen, dafür hat sie unter anderem eine neue Website entwickelt, die kurz vor dem Release steht. Auf dieser macht sie dem Publikum umfangreiche Informationen und multimediale Begleitangebote zu ihren Konzertprogrammen zugänglich. «Das war ein grosses Stück Arbeit, aber nun haben wir tolle Möglichkeiten, wichtige Informationen attraktiv zu gestalten.» Kurze Videos zu einem Werk, Tonaufnahmen, Begleittexte. «Wir können unser Publikum mit zugänglich gestalteten Beiträgen auch ausserhalb des Konzertsaals begleiten.» 
Die ersten Beiträge von externen Fachautoren lägen intern schon vor: «Ich finde das Ergebnis grossartig.» Auch eine neu geschaffene Stelle soll die Sinfonietta im Bereich der Musikvermittlung weiterbringen. «Das ist noch ganz neu, und wir freuen uns darauf, hier Unterstützung zu erhalten. Die Musikvermittlung ist unser eigentliches Kernanliegen, das ist unsere Zukunft.» 

(Autor: Falco Meyer)