Kampf um das Schicksal eines Hauses

Brauchtum & Geschichte

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Der Abbruch des Schwerzmann-Hauses am Zuger Postplatz hat einst für grosses Aufsehen gesorgt. Ob es einen Unterschied gemacht hätte, wäre seine wahre Schönheit nicht lieblos «überkleistert» gewesen?

  • Illustration des Zuger Künstlers Christian Bisig. So hätte die Situation bei der Schutzengelkapelle mit dem verschobenen, vom Putz befreiten Schwerzmann-Haus aussehen können. Bilder: Matthias Jurt (Zug, 4. 4. 2025), Archiv Zuger Zeitung, Christian Bisig
    Illustration des Zuger Künstlers Christian Bisig. So hätte die Situation bei der Schutzengelkapelle mit dem verschobenen, vom Putz befreiten Schwerzmann-Haus aussehen können. Bilder: Matthias Jurt (Zug, 4. 4. 2025), Archiv Zuger Zeitung, Christian Bisig
  • Das Schwerzmann-Haus am Postplatz 1988. Bilder: Matthias Jurt (Zug, 4. 4. 2025), Archiv Zuger Zeitung, Christian Bisig
    Das Schwerzmann-Haus am Postplatz 1988. Bilder: Matthias Jurt (Zug, 4. 4. 2025), Archiv Zuger Zeitung, Christian Bisig
  • Der Postplatz in Zug heute. Bilder: Matthias Jurt (Zug, 4. 4. 2025), Archiv Zuger Zeitung, Christian Bisig
    Der Postplatz in Zug heute. Bilder: Matthias Jurt (Zug, 4. 4. 2025), Archiv Zuger Zeitung, Christian Bisig

Zug – Auf unserem Hauptbild sieht man – eigentlich nichts. Abgesehen von der allbekannten Ansicht der Verbauung, die den Zuger Postplatz nördlich zur Neustadt hin begrenzt. Das wuchtige graufarbene Wohn- und Geschäftshaus Plaza mit seiner Marmorverkleidung und leicht konvex auswölbenden Hauptfassade ist Ende 1992 nach Plänen des Zuger Architekturbüros Hafner+Wiederkehr+Partner fertiggestellt und im Folgejahr in Betrieb genommen worden. Der Gebäudeblock – benannt nach dem bereits zuvor hier bestehenden Café Plaza – ist Resultat eines 1989 erstellten Bebauungsplanes, welcher vorsah, die städtischen Plätze aufzuwerten.

Das Objekt des Interesses im Rahmen dieses «Hingeschaut» ist jedoch nicht das moderne Haus Plaza, sondern das Vorgängergebäude, dessen Abriss im Vorfeld der Neubebauung für grosse Diskussionen gesorgt hatte. Vielen Zugerinnen und Zugern dürfte es noch in Erinnerung sein, das sogenannte Schwerzmann-Haus, das hier den Postplatz seit jeher mitgeprägt hatte. Ehemals als Standort einer Färberei, auch «Haus zur Farb» genannt, erhielt es seine spätere Bezeichnung dank seines prominenten Bewohners – Kantonsrichter und Gerichtspräsident Alois Schwerzmann (1857–1935).

Verborgene Pracht

Zugegeben: Das Erscheinungsbild des Hauses war zum Schluss nicht mehr besonders attraktiv. So wundert es wenig, dass damals viele Einheimische dem «alten Kasten» nicht nachtrauern, sondern einer baulichen Modernisierung dieses Ortes zustimmen würden. Jedoch war auch der Kreis der Befürworter gross, der sich für den Erhalt des Schwerzmann-Hauses stark gemacht hatte. Verständlich, berücksichtigt man die Geschichte wie auch die architekturhistorische Bedeutung des alten Hauses für die Geschichte der Stadt. Schade nur, dass diese Geschichte zuletzt am Gebäude nicht mehr ablesbar war, denn seine wahre Schönheit lag hinter einem unscheinbaren grauen Putz verborgen und entzog sich somit der allgemeinen Wahrnehmung.

Beim vermutlich um 1645 entstandenen Gebäude handelte es sich um ein bemerkenswertes Fachwerkgebäude mit qualitätvoller Ausstattung, wie Zeitzeugen zu berichten wissen. Der letzte Besitzer, Emil Schwerzmann, verkaufte das Haus 1986 der einstigen Liegenschaftsverwalterin Rankhof AG. Als sich nach einer weiteren Kauftransaktion des Grundstückes wie auch desjenigen nebenan ein Abbruch des Schwerzmann-Hauses abzeichnete, entbrannte ein wahrer Interessenskampf.

Das gesamte Haus verschieben

Der Grosse Gemeinderat sprach sich entschlossen gegen einen Erhalt aus. Die «Überlebenschancen» für das Schwerzmann-Haus an seinem Standort am Postplatz standen faktisch bei null, obschon sich auch einige Gemeinderäte vehement gegen den Abbruch eingesetzt, ja, sogar mit einer symbolischen Besetzung des Hauses auf ihr Anliegen aufmerksam gemacht hatten. Zwei Gemeinderäte, Peter Kamm (FDP) und Franz Hotz (CVP), zogen gar einen systematischen Abbau des Hauses, eine anschliessende Verschiebung und den Wiederaufbau auf einem Grundstück bei der Schutzengelkapelle an der Chamerstrasse in Betracht.

Dieser kühne «Gewaltakt», dessen Planung auf privater Basis erfolgen sollte, stiess seitens Behörden durchaus auf Interesse und Zustimmung. Das Projekt sah vor, das Schwerzmann-Haus auf das freistehende Grundstück an der Einmündung der Allmend- in die Chamerstrasse, gleich gegenüber der Schutzengelkapelle, zu versetzen. Der Vorstand der Nachbarschaft Lorzen wäre bereit gewesen, das Land im Baurecht abzutreten, doch lehnten es die Mitglieder an einer entsprechenden Versammlung ab.

Das Schicksal des Hauses war damit besiegelt – weitere, fast verzweifelte Bemühungen, das Gebäude zu retten, sind erfolglos geblieben. Auch derjenige der Stadt selbst, das Haus auf ein Grundstück beim heutigen Podium 41 an der Chamerstrasse zu versetzen, scheiterte letztlich deutlich an der Volksabstimmung. Die grosse Mehrheit der Zugerinnen und Zuger hatte kein Interesse am Erhalt des rund 350 Jahre alten Hauses am Postplatz.

Eine Krippe hat «überlebt»

Am 22. Juni 1988 fuhren die Bagger auf. Noch am selben Tag war das ortsbildprägende Zuger Fachwerkhaus Geschichte. Es folgte genannter Bebauungsplan, im September 1990 schliesslich der Abriss der angrenzenden Liegenschaft Café Plaza. Dann starteten die Bauarbeiten für das heutige Wohn- und Geschäftshaus Plaza. An das Schwerzmann-Haus erinnert nichts mehr – bis auf eine Weihnachtskrippe, die von 1914 bis 1977 jährlich im Haus auf­gebaut worden war und 1994 von der Erbengemeinschaft Schwerzmann dem Museum Burg Zug übergeben worden ist.

Wie könnte der Postplatz heute aussehen, wäre das Schwerzmann-Haus nicht abgebrochen, sondern sorgfältig in seinen ursprünglichen Zustand mit charakteristischem Sichtfachwerk zurückversetzt und umsichtig in eine moderne Neubebauung integriert worden? Vielleicht möchte man lieber gar nicht darüber sinnieren ... (Text von Andreas Faessler)

 

Hinweis

In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fund­stücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.