Rocksongs, die lange gereift sind

Musik

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Bei einem Besuch im Probelokal geben die Musiker der Band Humanoids Einblick in ihren in 20 Jahren entwickelten Arbeitsprozess.

  • Ein eingespieltes Team: die Humanoids. Hier bei der Plattentaufe in der Galvanik. (Bild Eugene Zhyvchik)
    Ein eingespieltes Team: die Humanoids. Hier bei der Plattentaufe in der Galvanik. (Bild Eugene Zhyvchik)

Zug – «Wir beginnen mit dem Jammen, also dem improvisierten Spiel», sagt Sänger Philipp Muchenberger an diesem wunderschönen Sommerabend bei einem Glas Rosé. Gleich probt er mit seiner Band Humanoids im ersten Stock der Galvanik. Wenn der Band dann ein Moment gefällt, zücke jeweils der Gitarrist Aldo Caviezel – an diesem Montag abwesend – das Handy und nehme die Partie auf.

«Bei der nächsten Probe entwickeln wir den Song weiter. Oder lassen ihn fallen», fährt Muchenberger fort, bevor er sich mit Erich Güntensperger (Schlagzeug) und Marc Schweiger (Bass) an ein neues musikalisches Experiment wagt, dessen Ausgang total offen ist ...

Der künstlerische Weg als Ziel

In ihrem Proberaum ist über die letzten Jahre hinweg die neue Platte «Echo Mistakes» entstanden. Die vier Songs nahm die bekannte Zuger Band in Winterthur auf und spielte sie erstmals Anfang Juni in der Galvanik vor Publikum. Grund genug, die 2002 gegründete Formation an einer ihrer wöchentlichen Proben zu besuchen.

«Oft fühlen wir uns auf dem richtigen Weg und verirren uns dann – diesen Prozess finde ich ungemein spannend», gesteht Marc Schweiger. An der Wand im Proberaum hängt ein Sideboard, gelistet sind verschiedene Songs, daneben jeweils mehrere Striche, quasi die Sympathiepunkte der Band für ihre musikalischen Experimente. Schweiger erklärt: «Erreicht ein Song über längere Zeit hinweg viele Striche, landet er vielleicht auf einem Album.»

Mit passabler Lautstärke bringen die dem Geist des Rock ’n’ Roll verpflichteten Musiker das winzige Probelokal zum Beben, während sie immer wieder miteinander kommunizieren, um die Tonart zu wechseln, was Muchenberger ebenfalls auf dem Sideboard festhält. Schweiger betont: «Damit wir mit dem Arrangieren eines Songs beginnen, muss bei uns über mehrere Proben hinweg ein Gefühl ausgelöst werden.»

Auch bei diesem letzten Produktionsschritt arbeite die Band fast ohne Noten, erklärt Güntensperger. «Wir notieren vielmehr, wo die Musik welche Richtung einschlägt, beispielsweise lauter oder leiser wird.» Erfrischenderweise folgen die neuen Humanoids-Werke keinem Standard-Schema der Popmusik, sondern suchen sich mit längeren Akustik-Teilen oder nicht vorhandenen Refrains ihre eigene Struktur.

«Diese Art zu arbeiten fühlt sich unter all den anderen ausprobierten Methoden für uns am organischsten an», sagt der Schlagzeuger. Er ist der Einzige der Gruppe, der als professioneller Musiker arbeitet. Sänger und Keyboarder Philipp Muchenberger ergänzt: «Wegen dieses Prozesses gibt es uns noch, das ist unser Motor!» Entstanden ist so auch der neue Song «Arsonist» (Brandstifter), in dem es wie in anderen Humanoids-Stücken um eine philosophische Frage geht, hier nämlich um jene nach der Wahrheit. Muchenberger singt: «We are losing our words and the words become ghosts ... they say so ... how do we know?» ...

Den Text schrieb er wie immer am Schluss, davor benutzte er in den Proben eine Fantasiesprache. Erst wenn die Form des Stückes für alle stimme, suche sich der Frontmann pas­sende Passagen aus seinem Textbuch, die er immer Dutzende Male überarbeite.

Seit 30 Jahren beste Freunde

Wie kann man über so lange Zeit hinweg zusammen rocken? «Wir sind seit 30 Jahren beste Freunde, am Montagabend kann ich mein Leben kurz nebenanstellen und tauche in eine andere Welt ein», schwärmt Schweiger. Güntensperger: «Wir lieben, was die anderen tun; wenn etwa Marc auf dem Bass spielt, denke ich einfach – yeah!»

Die vier Songs sind kostenlos auf den Streaming-Plattformen Spotify und Apple Music sowie auf www.humanoids.ch verfügbar. Das nächste Konzert findet am 23. September im Earl Music Club in Muotathal statt. (Text von Fabian Gubser)