Gehaltvolle Musik in stilgerechter Interpretation
Musik
Philippe Herreweghe dirigierte im Theater Casino Zug Mayer und Mendelssohn. Ein interessantes Programm mit lauter Interpreten von internationalem Format.
Zug – Das Programm des Konzerts vom Donnerstagabend im Theater Casino umfasste Werke von Felix Mendelssohn und der in der gleichen Stilepoche lebenden Emilie Mayer (1812-1883). Mendelssohn gehört – neben Wolfgang Amadeus Mozart und Franz Schubert – zu den wenigen Komponisten, dessen Jugendwerke auch nach dem Abklingen des «Wunderkind-Bonus» ihren festen Platz in der Nachwelt behauptet haben. Emilie Mayer ist – etwa im Gegensatz zu Fanny Hensel-Mendelssohn und Clara Schumann-Wieck – auch von der zeitgenössischen Männerwelt als eigenständige Begabung anerkannt worden, und sie genoss zu Lebzeiten als freischaffende Komponistin hohes Ansehen. Im 20. Jahrhundert geriet sie aber weitgehend in Vergessenheit, und erst seit wenigen Jahren erfolgen wieder vermehrt Aufführungen aus ihrem umfangreichen Werkkatalog.
Philippe Herreweghe ist vor allem als Wegbereiter und Interpret historischer Aufführungspraxis international bekannt geworden. Wie Martin Wettstein in den Einleitungsworten betonte, war sein Weg als gefeierter Dirigent keineswegs vorgezeichnet. Seine Musikerausbildung konzentrierte sich auf die Tasteninstrumente; gleichzeitig studierte er bis zum offiziellen Diplom Psychologie. Als er vom Cellisten und Musikhistoriker Nikolaus Harnoncourt (1929-2016) als Dirigent entdeckt wurde, besass er kein entsprechendes Diplom. Das Konzert beeindruckte nicht nur durch das spieltechnisch und interpretatorisch durchwegs hohe Gesamtniveau. Der gereifte Dirigent verfügte auch über die Weisheit einer Beschränkung in der historischen Konsequenz. Die Streicher und die Holzbläser musizierten durch das ganze Programm mit modernen Instrumenten und entsprechender Spieltechnik. Für die Sinfonie Opus 11 und das Klavierkonzert Opus 40 von Mendelssohn kamen dazu Trompeten und Hörner älterer Bauart ohne Ventile. Für die etwas später entstandene 5. Sinfonie von Emilie Mayer wurden sie aber gegen moderne chromatische Instrumente ausgetauscht. Aus gleichem Geist erschien auch die Wahl des Solisten: Der Franzose Bertrand Chamayou ist vor allem als Interpret der Spätromantiker Maurice Ravel und Camille Saint-Saëns bekannt. Er überzeugte aber ebenbürtig durch die perlende Gestaltung des virtuosen Klavierparts bei Mendelssohn. Für das Wesen der Komposition mit oft dem Solisten untergeordneten kurzen Orchester-Einwürfen erschien es angemessen, ein modernes Instrument mit voll geöffnetem Deckel zu verwenden.
Viele interessante musikalische Gedanken
Erstaunlich, wie viel der Solist auch noch bei der Zugabe nachsetzte: Der einfache Klaviersatz von Joseph Haydn erhielt eine so subtile Differenzierung des Anschlags, dass er zu Recht noch einen Sonderapplaus herausforderte.
Die Sinfonie des 15-jährigen Mendelssohn orientierte sich vor allem in den Ecksätzen noch recht stark am Vorbild Mozart. Die beiden Mittelsätze zeigten aber eine Fülle an kompositorischer Originalität, etwa in der Rückleitung des Trios zum Menuett, dass sich ihre Aufführung auch noch genau 200 Jahre später rechtfertigt. Viele interessante musikalische Gedanken brachte gleichfalls die Mayer-Sinfonie. Herausgehoben seien als Beispiele nur die Einleitung des zweiten Satzes mit dem Cello-Solo, welches nachher auf weitere Instrumente überspringt, oder etwa die schnelle Einleitung des Schlusssatzes, die sich durch alle Streicherstimmen bewegte und bis zum Kontrabassregister ein hohes Mass an Virtuosität verlangte. (Text: Jürg Röthlisberger)