Die Zuger Kirschtorte wird zum Schweizer Kulturgut
Dies & Das
Die Kirschtorten sind heute Zugs Aushängeschild. Und die Zuger Konditoreien Grossabnehmer des Kirschwassers. Eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt der Kirschbäume rund um den Zugersee.
Zug – Einen bemerkenswerten Auftritt hatte der Kanton mit der Zuger Kirschtorte an der Schweizerischen Landesausstellung «Expo.64» in Lausanne. Der Baarer Grafiker Geny Hotz hatte ein Umzugskonzept entworfen, bei dem das Zugerland in Form von fahrbaren, thematischen Bildskulpturen vorgestellt wurde. Die Zuger Konditoren Jacques Treichler, Albert Meier, Oswald Lüönd, Kurt Keiser, Karl Speck, Isidor Stierli und Max Wüthrich nahmen am «Concours Culinaire» teil. Die Kollektivarbeit mit der Kirschtorte wurde mit einer Goldmedaille belohnt.
Die Kirschtortenproduktion in Zug wurde unterdessen weiter ausgebaut und rationalisiert. 1967 eröffnete Treichler an der Poststrasse 22 eine vollautomatische Bäckerei mit einem Durchlaufofen zur industriellen Herstellung von Japonaisböden und Biskuits. Die Maschine machte die Produktion von 1000 Japonaisböden pro Tag möglich. Im Keller baute Treichler zudem einen Vorratstank mit 7000 Litern Kirsch ein. Das Kirschwasser kam von verschiedenen Chriesibauern aus der Zugerseeregion sowie von grösseren Brennereien in Zug, Arth, Schwyz und Küssnacht.
Luftpost nach Japan
Die Nachfrage nahm von Jahr zu Jahr zu. Der Zuger Konditor Oswald Lüönd an der Zeughausgasse 15 musste in den 1970er-Jahren über die Festtage Hilfskräfte anstellen und versandte seine Kirschtorten per Luftpost bis nach Japan. Sein Kollege Albert Meier von der Alpenstrasse 14 verkaufte über die Festtage rund 10 000 Kirschtorten, was damals einen Sechstel seiner gesamten Jahresproduktion darstellte. Auch er stellte zusätzliche Gehilfen ein und verschickte seine Torten bis nach Amerika, Kanada oder Südafrika. Auch Kurt Keiser von der gleichnamigen Konditorei an der Neugasse 13 verkaufte grosse Mengen an Kirschtorten. Bis 1982 hatten alle damals bestehenden Stadtzuger Konditoreien die Kirschtorte in ihr Sortiment aufgenommen. Von allen Spezialitäten verkaufte sich das Zuger Kirschgebäck mit Abstand am besten.
Kulinarikerbe und Kirschbäume
2008 wurde die Zuger Kirschtorte offiziell ins Inventar «Kulinarisches Erbe der Schweiz» aufgenommen. Zwei Jahre später fand die Gründung der «Zuger Kirschtorten-Gesellschaft», der Zusammenschluss aller Kirschtorten-Produzenten im Kanton, statt. Der Verein hat das Ziel, die Kirschtorte als wichtiges historisches Kulturgut zu bewahren und das Image des Kantons Zug zu fördern. 2011 wurde der Kirschenanbau im Kanton Zug im Rahmen der Unesco-Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes offiziell in der Liste «Lebendigen Traditionen der Schweiz» vermerkt. Und seit 2013 sind der Zuger Kirsch und der Rigi-Kirsch durch die Ursprungsbezeichnung AOP (Appellation d’Origine Protégée) geschützt. Im gleichen Jahr eröffnete Treichler das «Zuger Kirschtorten-Museum», das die Erfindungsgeschichte der Kirschtorte mit über 200 historischen Dokumenten, Bildern und Exponaten zeigt. Vorgestellt wurde auch eine repräsentative Kirsch-Kollektion mit 77 verschiedenen, teilweise raren Kirschwassern aus der Region ZugRigi. 2015 trat schliesslich die seit langem angestrebte Ursprungsbezeichnung für die Zuger Kirschtorte in Kraft. Der Eintrag ins Register der IGP (Indiction Géographique Protégée) bedeutet, dass die Torte nur noch innerhalb des Kantons Zug hergestellt werden und ausschliesslich Zuger Kirsch AOP oder Rigi-Kirsch AOP enthalten darf. Die Bemühungen der zwölf aktiven Kirschtorten-Produzenten dienen nicht nur der Verkaufsförderung, sondern tragen dazu bei, dass die landschaftstypischen Hochstamm-Kirschbäume rund um den Zugersee erhalten bleiben. In einem Zentiliter Zuger Kirschs (40 Volumenprozent) stecken ungefähr 28 Brennkirschen, in einer mittleren Kirschtorte befinden sich also rund 280 Kirschen in flüssiger Form!
Übrigens ...
Alteingesessene Zuger Familien beziehen ihre Kirschtorten traditionell bei ihrem auserwählten Lieblingshersteller. Innerhalb der Familien besteht oft Uneinigkeit, welcher Konditor die beste Zuger Kirschtorte herstelle. Der «Zuger Kirschtorten-Graben» geht oft quer durch die Familie. So auch in der Familie des Autors. Während seine Eltern ihre Kirschtorten immer bei Strickler eingekauft hatten, bevorzugte der Sohn zuerst die Torten von Meier, weil diese schön feucht waren. Nach einigen Kirschtorten-Blindtests im Freundeskreis kauft er nun vermehrt bei Treichler ein. Seine letzte Zuger Kirschtorte hat der Autor kürzlich in der Confiserie Speck genossen, übrigens zusammen mit dem Chefredaktor dieser Zeitung. (Ueli Kleeb)
Mit diesem Beitrag ist die sechsteilige Serie zum 100-Jahr-Jubiläum der Zuger Kirschtorte abgeschlossen.Zusammen mit einem Team von Historikern hat der Zuger Ueli Kleeb die Kirschenkultur in der Region ZugRigi erforscht und seit 2007 ein umfangreiches Archiv angelegt. Ende Jahr erscheint das Buch dazu. Viele der erwähnten Exponate sind im «Zuger Kirschtorten-Museum» bei Treichler ausgestellt.