Geballte Grausamkeit unter einem Dach
Art & Architecture
Nichts für Zartbesaitete: Eine schlichte Landkapelle birgt Darstellungen mit barbarischen Folterszenen. Ein spannender Exkurs in die Zeit der Christenverfolgung der ersten Jahrhunderte nach Christus.
Edlibach – Zahlreiche Heilige des Christentums erlitten schreckliche Folterqualen und starben in vielen Fällen an den Folgen. Meist waren es Märtyrer, sprich glaubenstreue Menschen, die für ihr religiöses Bekenntnis die Misshandlung und den Tod in Kauf nahmen und bis heute als Heilige verehrt werden. Die nicht abschliessende Liste an Grausamkeiten, welche die Märtyrer haben über sich ergehen lassen, ist lang. In der Folge einige ausgewählte Beispiele: hl. Stephan zu Tode gesteinigt; hl. Vinzenz von Valencia – verstümmelt, geröstet, auf Glasscherben geworfen; hl. Bibiana – zu Tode gegeisselt; hl. Laurenz – auf glühendem Eisenrost hingerichtet; hl. Veit sowie hl. Kreszentia – in siedendes Öl geworfen; hl. Agatha – auf glühendem Kohlebett verbrannt; hl. Leodegar – mit Bohrer Augen ausgestochen, Zunge herausgerissen, später enthauptet; hl. Katharina – gerädert, enthauptet; hl. Achazius – mit Dornen gemartert und gekreuzigt; hl. Blandina – geröstet, gegeisselt, wilden Stieren vorgeworfen, erstochen; hl. Bonifaz – in siedendem Pech gekocht ...
Die Kapelle St. Bartholomäus in Schönbrunn bei Edlibach birgt zwei alte Darstellungen von besonders barbarischen Misshandlungen Heiliger. Die Folter des Kapellenpatrons selbst, der Apostel Bartholomäus, wird zum einen hier eindrucksvoll gezeigt. Als christlicher Prediger wurde er der Überlieferung zufolge in Armenien festgenommen. Bevor er hingerichtet wurde, zog man ihm bei lebendigem Leib die Haut ab. Der Zuger Barockmaler Carl Joseph Speck (17291798) stellte die Szene auf dem grossen rundbogigen Gemälde dar, das heute in der Kapelle links vom Chor hängt. Es dürfte einst im Hochaltar eingesetzt gewesen sein, als die Ausstattung des 18. Jahrhunderts noch vorhanden war. Das Gemälde zeigt den an einen Baum gefesselten Bartholomäus. Der Henker ist dabei, dem Heiligen mit einer scharfen Klinge am rechten Arm die Haut wegzuschälen. Unterarm und Ellbogen sind bereits gehäutet. Ein wahrhaft schauerlicher Anblick. Leider ist das Gemälde recht mitgenommen, die Oberfläche ist mit Haarrissen überzogen, die Farbe sichtlich verblasst.
Fast noch bizarrer ist zum anderen eine weitere Darstellung in der Kapelle. Eine Tafel an der Rückwand beschreibt das Martyrium des hl. Erasmus von Antiochia (†303). Auch er sollte der Legende zufolge wegen seines Bekenntnisses zum Christentum sterben. Sollte, denn Erasmus überlebte mehrere schreckliche Folterungen. Eine davon war das so genannte Ausdärmen. Und diese Foltermethode wird auf vielen Erasmus-Darstellungen gezeigt. So auch auf der erwähnten Tafel mit Gemälde, das gemäss Signatur im Jahre 1835 von einem gewissen Joseph Anton Speck geschaffen worden ist. Erasmus liegt auf dem Boden mit aufgeschnittener Bauchdecke. Sein Darm wird von zwei Männern durch die lange offene Wunde auf eine Spule aufgerollt. Laut Legende soll Erasmus durch Gottes Hand errettet worden und in hohem Alter dann eines natürlichen Todes gestorben sein. Wie das ohne Darm möglich war? Bei mehreren Heiligen hat sich die Legende erhalten, dass sie die schlimmsten Foltermethoden überlebt haben und wenn überhaupt – erst durch eine «simple» Enthauptung gestorben sind. Nicht überraschend im Fall des ausgeweideten hl. Erasmus ist übrigens, dass er bei Magenkrankheiten, Unterleibsbeschwerden und auch Geburten helfen soll.
Und wenn wir schon dabei sind grauslicher kanns ja fast nicht mehr werden –, das Ausdärmen als Folter war bis ins Mittelalter eine gängige Praktik bei gewissen Vergehen. So beispielsweise bei Menschen, die mutwillig Bäume entrindeten und den Baum dadurch «töteten». Dem Delinquenten wurde durch einen Schnitt in der Bauchdecke der Darm ein Stück weit herausgezogen und das Ende an den betreffenden Baumstamm geheftet. Anschliessend wurde der Verurteilte so lange um den Baum gejagt, bis seine ganzen Eingeweide am Stamm hingen und er leblos niedersank.
Mit den beiden beschriebenen Abbildungen ist es mit all dem Schmerz in der Bartholomäuskapelle noch nicht vorbei. Zwei weitere Gemälde an der Rückwand enthalten Pein: Die Ecce-Homo-Darstellung zeigt den dornenbekrönten, gemarterten Christus mit einer Kette um den Hals. Und der Schmerzensmutter daneben steckt ein Schwert tief im Brustkorb. Diese Darstellung ist im Gegensatz zu den anderen ikonografisch zu deuten.
Rein auf die Abbildungen reduziert, ohne die Geschichten dahinter zu berücksichtigen, ist die Bartholomäuskapelle in Edlibach ein regelrechtes Gruselkabinett. Ein Blick hinein lohnt sich. Blendet man die Hintergründe zu den Darstellungen von Bartholomäus und Erasmus aber ein, so beschleicht einen doch eine gewisse Beklommenheit, denn auch wenn diese Begebenheiten mehrheitlich auf Überlieferung basieren und viele Jahrhunderte zurückliegen manche Grausamkeit, die heute im Namen der Religion an Menschen verübt wird, steht den alten Abbildungen in der Bartholomäuskapelle in nichts nach ... (Andreas Faessler)
HinweisMit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach. Frühere Beiträge finden Sie unter www.zugerzeitung.ch/serien