Sie bringt das Leben auf die Bühne
Theater & Tanz
Gardi Hutter zeigt im Casino Theater Zug, dass Clownerie weit mehr ist als Klamauk.
Zug – Clowns polarisieren: Für die einen sind sie nostalgische Figuren, die Kindheitserinnerungen wecken, für andere schlicht befremdlich. Doch Gardi Hutter, die wohl bekannteste Schweizer Clownin, sprengt am Samstagabend im beinahe ausverkauften Theater Casino Zug mit ihrem Stück «Jeanne d’ArpPo – Die tapfere Hanna» sämtliche Klischees. Mit ihrer Figur Hanna erschafft sie eine faszinierende Mischung aus Slapstick, Gesellschaftskritik und philosophischer Tiefe.
Hanna, die unerschrockene Protagonistin, kämpft sich mit zerzaustem Haar, übergrosser Schürze und figurtechnisch sehr rundlich durch die Untiefen einer imaginären Waschküche. Der scheinbar harmlose Waschzuber, der Wäscheberg und die Wäscheleine werden dabei zum Sinnbild für die Herausforderungen des Lebens. Mit kreativen Lösungen und einem unermüdlichen Willen zeigt Hanna, dass es im Chaos auch Würde zu bewahren gilt.
Die Meisterin der (fast) stummen Poesie
Die rote Clownsnase ist da – das traditionelle Signal eines Clowns. Was dann folgt, ist jedoch Theater, das weit über klassische Clownerie hinausgeht. In dieser Waschküche entfaltet sich ein Universum voller Metaphern: Der Kampf mit widerspenstiger Wäsche wird zur existenziellen Auseinandersetzung, das Gleichgewicht auf rutschigem Boden zur Parabel des Lebens selbst.
Wer der Clownerie stets mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnet – zu oft erscheint diese Kunstform in plakativer Albernheit gefangen – muss angesichts Gardi Hutters Darbietung kapitulieren: Es ist eine Offenbarung. Ohne ein einziges Wort werden hier Geschichten erzählt, mit einer Körpersprache von solcher Präzision und Ausdruckskraft, dass jede Geste zu Poesie wird. Ihre jahrzehntelange Erfahrung zeigt sich in der Perfektion des scheinbar Unperfekten: In jedem Stolpern Hannas steckt eine choreografierte Meisterleistung.
Die 71-jährige Künstlerin beweist dabei eine körperliche Präsenz, die jüngere Performer beschämen könnte. Ihre Energie scheint unerschöpflich, wenn sie über die Bühne wirbelt, mit dem Waschzuber kämpft oder in akrobatischen Einlagen ihr komisches Talent zur Schau stellt. Das alles ohne Worte, lediglich untermalt von einer Fantasiesprache, die manche als «Brabbeln» bezeichnen würden.
Was 1981 als künstlerisches Experiment begann, wird 2025 seinen krönenden Abschluss finden. Nach über 4000 Vorstellungen in 35 Ländern verabschiedet sich eine Künstlerin, die das Genre der Clownerie nicht nur bereichert, sondern fundamental neu definiert hat. Ihre letzte Schweizer Tournee ist mehr als ein Abschied – sie ist ein Vermächtnis, eine Werkschau, die die Essenz eines aussergewöhnlichen Künstlerlebens destilliert.
Während im Theater Casino der letzte Applaus verhallt, schwingt eine bittersüsse Erkenntnis mit: Jeder Stolperer, jeder Purzelbaum, jedes grandiose Scheitern ihrer Hanna wird bald nur noch in der Erinnerung existieren. Die Waschküche wird abgebaut, der Waschzuber verstummt. Doch vielleicht ist gerade das die grösste Kunst: Den Abschied zu wählen, wenn das Lachen am lautesten ist, wenn die Magie ungebrochen scheint.
In der Erinnerung wird Hanna weiterleben, als zeitlose Figur, die uns gelehrt hat, dass wahre Komik nicht in der Perfektion liegt, sondern im menschlichen Streben danach. Gardi Hutter mag sich von der Bühne verabschieden, doch ihre Hanna hat sich längst in die Kulturgeschichte der Schweiz eingeschrieben. (Text: Haymo Empl)
Hinweis
Am 28. März 2025 ist Gardi Hutter nochmals im Theater Casino Zug zu sehen.