Da blieb den beiden fast der Atem weg

Kunst & Baukultur

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Mit 100 Spraydosen wurden im alten Coop über 20 Graffiti erschaffen. Das Gebäude wird zwar abgerissen, doch eine Erinnerung an die Werke bleibt.

Rotkreuz – Mit Spraydosen, Atemschutzmaske und Fotoapparat machen sich die beiden Studenten Matthias Setz (20) und Valentin Studerus (20) ans Werk. Die Graffiti sprüht Setz, mit Künstlernamen Smog, nicht etwa – illegal – an eine Hauswand, sondern im alten Coop an der Luzernerstrasse 13 in Rotkreuz mit offizieller Genehmigung der Gebäudebesitzer. Sieben Tage lang besprayte er zusammen mit fünf weiteren Künstlern die weissen Wände der zum Abbruch freigegebenen Filiale. Studerus machte davon Fotos und Filme. Das gesamte Werk wird morgen um 13.30 Uhr in einer einmaligen Vernissage gezeigt. Denn bereits am nächsten Tag beginnt der Abriss.

In sieben Tagen über 20 Graffiti

Das Gebäude steht schon seit einem Jahr leer: «Wir haben schon länger beim Besitzer angefragt, ob es möglich wäre, dort zu sprayen», erklärt der Graffitikünstler Setz. Er wohnt ganz in der Nähe und sei immer wieder mit dem Bus daran vorbeigefahren. Und dann erreichte sie vor drei Wochen die gute Nachricht: Sie durften ihr Projekt durchziehen. Über die Feiertage entstanden an sieben Tagen über 20 Graffiti auf drei Etagen, elf davon stammen von Setz. «Über hundert Spraydosen haben wir dafür gebraucht», erzählt Setz, der an der ETH in Zürich Physik studiert.

Film im Zeitraffer

Auch Valentin Studerus studiert an der ETH, jedoch Umweltnaturwissenschaften. Auf den ersten Blick nicht die Berufe, die man bei Künstlern erwartet. In ihrer Freizeit sprayen und filmen die beiden. «Wir haben auch schon unsere Maturaarbeit zusammen gemacht», sagt Studerus. Die Arbeit sei ein Film gewesen, in dessen Hauptrolle Matthias Setz die Graffiti gezeichnet habe. «Danach wussten wir, dass wir unbedingt nochmals zusammenarbeiten möchten.»

Im neuen Projekt «Color Rush» hat Studerus über 4500 Bilder geschossen. Damit möchte er eine Art Daumenkino schaffen: Mit 30 Bildern pro Sekunde entsteht ein Film, der die Entstehung der Graffiti im Zeitraffer zeigt. Das Verfahren nennt sich «Hyperlaps». Im Film sieht man, wie Smog und Kollegen im Schnelldurchlauf verschiedene Motive an die Wände sprayen. Pfeile entstehen wie von Geisterhand und führen den Betrachter von einem Stockwerk zum nächsten. Das Schneiden des Filmes hat den angehenden Umweltnaturwissenschaftler bis anhin über 50 Arbeitsstunden gekostet. «Ich bin aber erst in der Hälfte – bis zur Vernissage werde ich nicht mehr fertig», bedauert der 20-Jährige. Trotzdem werde eine Rohfassung des Videos gezeigt. «Es ist einfach noch nicht perfekt stabilisiert», meint Studerus. Die Endfassung stelle er im März auf die Online-Videoplattform Youtube. Doch nicht nur der Film und die Graffiti können am Sonntag bestaunt werden. «Ich habe auch lang belichtete Fotos geschossen – diese werden wir auch ausstellen», fügt Studerus hinzu.

«Color Rush» anlässlich einer Vernissage vorzustellen, war gar nicht das Ziel der beiden Studenten. «Die Besitzer des Gebäudes kamen mit dieser Idee zu uns», freut sich der angehende Physiker. «Ihnen gefällt unser Projekt, und sie unterstützten uns, die Werke der Öffentlichkeit zu zeigen.» Denn bereits während ihrer Arbeitsphase hätten immer wieder Spaziergänger neugierig gefragt, was sie hier machen würden.

Schlechte Luft in den Räumen

«Es war auch harte Arbeit», stellt Studerus klar. Da kann ihm Setz nur beipflichten: «Vor allem das Atmen im geschlossenen Raum war schwer. Die Luft war gar nicht gut, nur mit Maske konnten wir es länger aushalten.» Auch Strom gab es nicht im Gebäude, das dem Abbruch geweiht ist. Für Licht sorgten Akkuscheinwerfer, die vor allem in der Dämmerung halfen, die letzten Striche zu tätigen, bevor bei Tageslicht wieder weiter gesprayt und geknipst wurde. «Besonders toll fand ich, dass ich an weisse Wände sprayen konnte», sagt Setz. Denn bei sogenannten legalen Wänden müsse er erst die anderen Bilder mit weisser Farbe übermalen, bevor er loslegen könne. Nun freuen sich die beiden darauf, ihre Werke morgen zu präsentieren. (Andrea Muff)

Hinweis
Weitere Informationen zur Vernissage und zum Künstler: www.facebook.com/SmogGraff