Eine spezielle Uraufführung
Dies & Das
Der Priester Alberich Zwyssig komponierte 1841 die heutige Schweizer Nationalhymne. Spuren seines Schaffens findet man in verschiedenen Schweizer Kantonen - in Zug gleich an zwei Orten.
Zug – Ich habe es mir zu einem Spiel gemacht: Wenn ich an einem aussergewöhnlichen Ort bin oder etwas Spezielles erblicke, dann zücke ich mein iPhone, halte es fotografisch fest und schicke dies dann per SMS meinen Freunden. «Wo bin ich?», schreibe ich dazu. Meine Freunde beteiligen sich jeweils fleissig am Spontan-Quiz. So auch neulich im Kanton Zug, als ich für eine Reportage zufällig eine Tafel mit interessanter Aufschrift passierte: «Hier komponierte anno domini 1841 Pater Albrik Zwyssig den Schweizerpsalm.»
Die Antworten, die ich per SMS erhielt, waren durchs Band falsch. Die schnelle Suche mit google.ch brachte bei meinen Freunden zwar einige Stationen aus dem Leben von Alberich (auch: Alberik oder Albrik) Zwyssig hervor, nur nicht den Ort, an dem ich das besagte Schild fotografierte.
Wer auf Bauen UR tippte, lag falsch: Alberich Zwyssig kam zwar am 17. November 1808 in Bauen zur Welt und verbrachte einen Teil seiner Kindheit in der Gemeinde am Urnersee. Sein Schaffen als Geistlicher und Komponist fiel jedoch nicht in diese Zeit. In Bauen erinnert heute noch das Restaurant Zwyssighaus an den berühmtesten Sohn des Dorfes.
Wer auf Wettingen AG tippte, lag ebenfalls falsch. Obwohl: Alberich Zwyssig war von 1821 bis 1841 Klosterschüler, Sängerknabe und Pater im Kloster Wettingen. Er wirkte in der Aargauer Gemeinde an der Limmat als Priester, Lehrer und Sekretär des Abtes, aber auch als Kapellmeister. Als das Aargauer Parlament 1841 das Kloster schloss, zogen Zwyssig und seine Mitbrüder aus. In Wettingen zeugen heute eine nach Alberich Zwyssig benannte Strasse und ein Hotel von der Anwesenheit des musikalischen Geistlichen.
Wer meinte, ich sei in Bregenz, befand sich auch auf dem Holzweg. Zwyssig wirkte zwar als Pater im Benediktinerkloster Mehrerau im österreichischen Bregenz. Dies war aber einige Jahre nachdem er den Schweizerpsalm komponiert hatte. Alberich Zwyssig verstarb am 18. November 1854 in Mehrerau an einer Lungenentzündung. Er wurde auf dem Klosterfriedhof bestattet. Nachdem die Nazis das Kloster geschlossen hatten, wurden 1943 die Gebeine Zwyssigs exhumiert, in die Schweiz transportiert und in Bauen beigesetzt.
Leider auch daneben, aber geografisch schon einiges näher, war meine Zuger Kollegin, die auf das Menzinger Pfarrhaus tippte. Dort verbrachte der Komponist des Schweizerpsalms von 1816 bis 1820 einen Teil seiner Jugendjahre. Beim Pfarrhaus erinnert ebenfalls eine Tafel daran.
Nun zur Lösung: Die abgebildete Tafel befindet sich an der Nordseite der Kapelle St. Karl beim Salesianum. Aber weshalb gerade dort? Die Geschichte ist wie folgt: Im Sommer 1841 weilt Alberich Zwyssig bei seinem Bruder im Hof St. Carl, einem stattlichen Patrizierhaus ausserhalb der Stadt Zug. Von dem Zürcher Musikverleger und Liederdichter Leonhard Widmer erhält er einen patriotischen Liedtext zur Vertonung zugeschickt. Alberich Zwyssig wählt einen Messgesang, den er sechs Jahre zuvor komponiert hat. Die Anpassungen an den neuen Text dauern bis in den Herbst 1841. Am Abend des 22. November im 1. Stock des Hofgebäudes «in der Stube gegen See und Stadt hin» probt Zwyssig mit vier Zuger Stadtbürgern zum ersten Mal seinen Schweizerpsalm. Dies berichtet später Oberstleutnant Franz Uttinger, der den ersten Bass sang.
1843 wurde das katholische Lied am Eidgenössischen Sängerfest in Zürich vorgetragen und vom Publikum begeistert aufgenommen. Zwischen 1894 und 1953 gab es mehrere Vorstösse, «Trittst im Morgenrot daher» zur offiziell gültigen Nationalhymne zu erklären. Sie wurden jedoch vom Bundesrat abgelehnt. Damals spielte man an offiziellen politischen und militärischen Anlässen das ebenfalls populäre Lied «Rufst Du mein Vaterland». Weil dieses nach der gleichen Melodie wie die englische Nationalhymne «God Save the Queen» gesungen wurde, schlug der Bundesrat 1961 doch einen Wechsel vor. In Absprache mit den Kantonen wurde der Schweizerpsalm von Alberich Zwyssig mit einer dreijährigen Probezeit eingeführt. Trotz des Vetos von sechs Kantonen bestätigte man das Lied 1965 als Nationalhymne auf unbefristete Zeit. (Ernst Meier)
HINWEISMit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach.