Konkurrenten und gefälschte Zuger Kirschtorten
This & That
Der Erfolg der Kirschtorte animierte die Konkurrenz, dreiste Schwindler verkauften gefälschte Rezepte. Höhn kreierte eine Schutzmarke und prozessierte. Seinen Chefkonditor bestimmte er zum Nachfolger.
Zug – Vermehrt kamen ab 1918 auch Automobilisten bei ihren in die Mode gekommenen Ausflügen nach Zug, um die Zuger Kirschtorte zu probieren oder als Souvenir und Mitbringsel zu kaufen. Angeregt durch Werbeinserate in der «Neuen Zürcher Zeitung» trafen beim Kirschtorten-Erfinder Heiri Höhn immer mehr Bestellungen ein. Höhn startete auch mit dem Postversand der Torte. Auf Anraten seines früheren Zürcher Arbeitgebers Fritz Honold liess Höhn die Zuger Kirschtorte 1922 beim «Eidgenössischen Amt für Geistiges Eigentum» schützen. Dazu kreierte er ein blaues Band und eine Schutzmarke, welche den Zuger Zytturm zeigt. Von da an war Höhn der einzige, der seine Torte so kennzeichnen und verkaufen durfte. Diese Marke wurde in der Folge regelmässig erneuert und ist bis heute gültig.
Medaillenreigen
An der «Schweizerischen Kochkunst-Ausstellung» von 1923 in Luzern wurde Konditor Höhn für sein Kirschgebäck mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Und an der «Sixth London Baking Trade Exhibition» von 1928 wurde Höhns Kirschtorte mit der Silbermedaille international gewürdigt. Im Begleitschreiben hiess es: «Es wird Sie interessieren, zu hören, dass das Preisgericht eine Ihrer Torten zum Nachmittagstee konsumiert und sich allseitig lobend über deren Qualität ausgesprochen hat.» Es folgten weitere Goldmedaillen 1930 in Zürich, 1935 in Zug, 1938 in Luxemburg, 1954 und 1975 in Bern und 1964 an der Expo in Lausanne.
Wie Rokoko-Malerei
Der Erfolg der Zuger Kirschtorte rief bald Konkurrenten auf den Plan. Ende der 1920er-Jahre begannen die Stadtzuger Confiseure Zeno Keiser und Oswald Lüönd mit der Herstellung von Kirschtorten und schalteten Zeitungsinserate. Höhn reagierte umgehend und inserierte seinerseits, dass die Zuger Kirschtorte «trotz konkurrenzneidiger Inseration meine eigene Erfindung ist und bleibt». Nicht zuletzt dadurch, dass man als Bäcker oder Konditor oftmals die Stelle wechselte, wurde die Anleitung zur Herstellung der Kirschtorte in der ganzen Schweiz verbreitet. So kam es, dass die Zuger Torte zunehmend auch in anderen Kantonen produziert und verkauft wurde, was die Bekanntheit des Gebäcks weiter steigerte. Das «Zuger Volksblatt» resümierte 1935: «Die Kirschtorte ist heute zur Zuger Spezialität geworden, wie die Basler Läckerli in Basel, die Glarner Pastete in Glarus. Sie wurde als die Königin der Torten und als die weltberühmte Zuger Kirschtorte wiederholt gepriesen.» Und die «Neue Zürcher Zeitung» schwärmte: «Wer bei ihrem Genusse nicht an Pastellmalereien des Rokoko oder an Menuette denkt, dem ist nicht zu helfen.» Es ging sogar das Gerücht, wonach die Schnellzüge in Zug zwei bis drei Minuten länger halten würden als anderswo, nur damit die Passagiere am Buffet Zuger Kirschtorten kaufen könnten.
1943 übergab Heiri Höhn das Kirschtorten-Geschäft seinem ehemaligen Chefkonditor Jacques Treichler aus Thalwil (ZH), der die Konditorei und den Laden zuerst unter «Höhn», später unter seinem eigenen Namen mit seiner Frau Irma führte. In Spitzenzeiten verkauften sie über 100 000 Kirschtorten. 1970 übernahm Treichlers Sohn Erich das florierende Geschäft, zusammen mit seiner Frau Madeleine. Nach dem frühen Tod von Erich führte Madeleine Treichler den Betrieb erfolgreich weiter, bevor das Unternehmen 2004 mitsamt den Tortenrechten an die «Zuger Kirschtorten AG» überging, die heute von den beiden Luzernern Hans und Bruno Heini geführt wird.
Übrigens ...
Besonders dreist ging 1935 ein Vertreter aus Zürich vor, der als «Generalvertrieb des Zuger Kirschtortenrezeptes» gefälschte Rezepte zum Preis von bis zu 100 Franken an über 300 Bäcker, Konditoren und Confiseure in der ganzen Schweiz verkaufte. Dazu schrieb er: «Wenn Sie mein Rezept benützen, werden Sie ebenso weltberühmt werden, wie Höhn in Zug.» Schliesslich wurde der Fälscher vor dem Bezirksgericht Zürich wegen «trölerhafter Prozessführung» und «Schindluderei» zu einer hohen Ordnungsbusse verurteilt. Ein anderer Konditor in Zürich durfte den Begriff der «echten Zuger Kirschtorte» gemäss Gerichtsbeschluss nicht mehr länger für sich in Anspruch nehmen und musste eine entsprechende Beschriftung, die er aussen an seinem Laden aufgemalt hatte, entfernen lassen. (Ueli Kleeb)
Lesen Sie in der nächsten Serie, wie die Hollywood-Schauspielerin Audrey Hepburn nach Zug kam, um Kirschtorten zu kaufen. Und wie die Fürstenfamilie von Liechtenstein heimlich bei Treichler eingekehrt ist.Zusammen mit einem Team von Historikern hat der Zuger Ueli Kleeb die Kirschenkultur in der Region Zug-Rigi erforscht und seit 2007 ein umfangreiches Archiv angelegt. Ende Jahr erscheint das Buch dazu. Viele der erwähnten Exponate sind im «Zuger Kirschtorten Museum» bei Treichler ausgestellt.