Mühlen und ein Gelehrtenstreit

Brauchtum & Geschichte

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Es gab einmal sechs Mühlen oberhalb der Stadt Zug. Ihre Existenz verdanken sie einem Kniff.

  • Dort, wo der Bolbach die Waldheimstrasse kreuzt, soll einst der so genannte Bolwijer existiert haben. Bild: Andreas Faessler (Zug, 22. 5. 2024)
    Dort, wo der Bolbach die Waldheimstrasse kreuzt, soll einst der so genannte Bolwijer existiert haben. Bild: Andreas Faessler (Zug, 22. 5. 2024)

Zug – Das historische Lexikon der Schweiz erwähnt 1242 als Jahr der Zuger Stadtgründung. Schon lange Zeit vorher haben aber Menschen in dieser Gegend gelebt und gewirtschaftet. Die Gründerväter sind nicht mehr eindeutig zu bestimmen. Sie müssen sich jedoch bewusst gewesen sein, dass die Stadt Herausforderungen mit sich bringt, da sie zwischen Zugersee und den Flanken des Zugerbergs eingeklemmt ist.

Diese exponierte Lage brachte es mit sich, dass die Fliessgewässer Bäche, aber keine Flüsse waren. Die Zugerinnen und Zuger – es waren um das Jahr 1450 zwischen 300 und 400 Menschen in der Stadt wohnhaft – wussten sich zu helfen. Sie leiteten vom Brunnenbach, der im Gebiet des Vordergeissboden auf dem Zugerberg begann, Wasser in einen teilweise gedeckten Kanal. Im Gebiet Chlosterhof etwas oberhalb des Blasenbergs vereinigte sich das Fliessgewässer mit dem Mänibach. In unmittelbarer Umgebung mündet der von Menschen gemachte Kanal in den Oberlauf des Bolbachs. Der Zuger Namenexperte Beat Dittli vermutet, dass es die Anlage im 16. Jahrhundert schon gab.

Wichtiger Antrieb der Mühlen

1512 ist bei einem Streit von einer Quelle die Rede. 1589 erwähnt Dittli in seinem fünfbändigen Werk «Zuger Orts­amen», dass 1613 von einem Hof oberhalb des Blasenberg die Rede ist und dessen Eigentümer «wegen des Wassers» einen Zins erhalte.

Aus einem Zuger Stadtplan (Landtwing/Klausner) von 1770/71 sind sechs Mühlen nordöstlich der Stadt Zug verzeichnet. Bei der ersten – sie heisst Bolmühle – ist der Bach der Namengeber. Als sei es mit diesen Zuger Mühlen nicht schon kompliziert genug, zeigt der vorgenannte Plan vom Ende des 18. Jahrhunderts eine Zweiteilung des Bolbachs oberhalb der Stadt Zug und unterhalb der Bolmühle. Der nördliche Arm – Mülibach genannt – treibt auf seiner kurzen Strecke vier Mühlen an und mündet später in den Burgbach. Dieses Gewässer ist ei­gent­lich der Bolbach.

Rückhaltebecken oberhalb von Zug gab es bis 1955

Dieser Bach schafft es aber nicht ganz bis zum See. Er treibt noch die Platzmühle an und fliesst in der Nähe des heutigen Landsgemeindeplatzes als Platzmühlebach in den Zugersee.

Ebenfalls zum Bol-, Mühli- und Platzmüli-Bachkomplex gehört der Bolwijer. Dieser diente zur Regulierung der Wassermenge des Bolbachs. Wann dieses Rückhaltebecken verschwunden ist, kann nicht abschliessend geklärt werden. Bei einer Kartenreise auf map.geo.admin.ch der Schweizerischen Landestopografie ist er 1955 noch eingezeichnet, ein Jahr später verschwindet der Bol­wijer von der Karte. Beim Bolbach ist aber nicht nur dessen genauer Zulauf umstritten. Gegenstand von Diskussionen bildet auch die Schreibweise dieses Bachs.

Der Zuger Namensforscher Beat Dittli verzichtet in seinem fünfbändigen Werk «Zuger Ortsnamen» aus dem Jahre 2007 konsequent bei Ausdrücken wie Bolgutsch, Bolbach und Bolmatt auf das «h». Die Schreibweise Bohlbach und viele davon ab­geleitete Begriffe berücksichtig er nicht. Der Ausdruck Bol, so Dittli, habe schweizerdeutsche Wurzeln. «Bol» bedeutet gemäss dem Zuger Namenforscher «rundlicher, kuppenförmiger Hügel».

Mit seiner Schreibweise befindet sich Beat Dittli nicht im luftleeren Raum, weiss er doch die Schweizer Onomastik (Namensforschung) hinter sich. Bezüglich Schreibweise habe er «als Namensforscher grössere Freiheiten» als Menschen, die unter öffentlicher Beobachtung stehen wie etwa Politisierende. Beat Dittli weiss aus eigener Erfahrung als Präsident der städtischen Nomenklaturkommission, dass er nicht immer «konsequent» sein könne. So habe dieses Gremium die Bohlstrasse entschieden, dass «h» zwischendrin stehen lassen. Diese Lösung sei praktikabel, denn bei der Streichung des Buchstabens «h» müssten die dort Wohnenden ihre Adresse wechseln. Auch die Visitenkarten würden durch einen solchen Beschluss wertlos. Ärger ist mit diesem pragmatischen Verhalten ab­gewendet.

Strassennamen beschäftigen auch die Verwaltung

Der Zuger Kantonsgeometer Reto Jörimann macht sich für das h stark und weiss die Behörden des Kantons und der Gemeinden allesamt hinter sich. So habe der Strassennamen Bohlstrasse den Segen der Stadt erhalten. Das Gleiche gelte auch bei der Abweichung in anderen Fällen. Reto Jörimann, organisatorisch bei der Direktion des Innern angesiedelt, findet diese Differenzen zwischen den amtlichen Bezeichnungen und den Einträgen der Namensforschern «unschön». Es komme «aber leider öfters vor». Jörimann sagt auch: «Die amtliche Vermessung hält sich an die Festlegungen der zuständigen Stellen. (Text von Marco Loosli)