Der Schlüssel Petri und der Nazarener

Dies & Das

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Der Kirchenmaler Jost Vital Troxler gehörte einer besonderen Künstlergruppe an. In einem seiner Deckengemälde in der Walchwiler Pfarrkirche entdecken wir ein kleines, aber für die katholische Kirche umso bedeutungsvolleres Detail.

  • Im Chorraum der Walchwiler Pfarrkirche malte Jost Vital Troxler die Bibelszene, in der Jesus dem Simon Petrus seine Schafherde anvertraut. In der Hand hält der kniende «Nachfolger Christi» einen Schlüssel (Bild Stefan Kaiser)
    Im Chorraum der Walchwiler Pfarrkirche malte Jost Vital Troxler die Bibelszene, in der Jesus dem Simon Petrus seine Schafherde anvertraut. In der Hand hält der kniende «Nachfolger Christi» einen Schlüssel (Bild Stefan Kaiser)

Walchwil – In vielen Kirchen des Barock, des Klassizismus und des Historismus stellen die Deckenbilder Szenen dar, die inhaltlich und kontextuell je für sich stehen, also unabhängig voneinander sind. Oft aber lautete der Auftrag an den entsprechenden Kirchenmaler, er solle ein themenbezogenes Bildprogramm schaffen. So eines finden wir in der Pfarrkirche Johannes der Täufer in Walchwil. Die fünf Deckenbilder zeigen allesamt ausgewählte Szenen aus dem Leben Jesu. Auf die frohe Botschaft für Maria über der Orgel folgt das grosse Hauptbild mit der Weihnachtsszene, dann die Taufe Jesu durch Johannes. Im Chorraum schliesst das Bildprogramm im Feld vor dem Hochaltar mit dem Mahl zu Emmaus, davor sehen wir noch die Szene, wo Jesus dem Petrus das Hirtenamt überträgt. In dieser zentralen Bibelszene entdeckt der Betrachter erst auf den zweiten Blick das wichtigste Attribut des hl. Petrus.

Erst aber zum Inhalt der Darstellung: Das Deckenbild zeigt Kapitel 21, 1–23 aus dem Johannesevangelium. Der auferstandene Jesus erscheint den Jüngern am See von Tiberias. Dem Simon «Petrus» («der Fels») stellt Jesus dreimal die Frage, ob er ihn liebe. Auf dessen abermaliges Bejahen heisst der Auferstandene ihn, er solle fortan seine Schafe weiden. Im Bild ist die Schafherde zu sehen und Jesus, wie er sie in die Obhut des knienden Petrus gibt. Dieser hält einen langen Hirtenstab in der linken Hand und in der rechten – nicht auf Anhieb erkennbar – einen Schlüssel. Somit wird diese biblische Schlüsselszene sprichwörtlich zu einer solchen. Hier spielt nämlich auch Kapitel 16, 18–19 aus dem Matthäusevangelium hinein, wo Jesus zu Petrus sagt: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen ... Und ich will dir des Himmelsreich Schlüssel geben ... Er übertrug Petrus eine verantwortungsvolle Aufgabe als «Verwalter der Himmelstür». Nach Auffassung der römisch-katholischen Kirche besteht in dieser Ernennung Jesu Wahl seines alleinigen Stellvertreters auf Erden. Und so geht die Kirche davon aus, dass alle Nachfolger Petri – die Päpste – jeweils die Vollmacht haben, der heiligen katholischen Kirche rechtmässig vorzustehen. Kritiker stellen diese «selbsterklärte rechtmässige Nachfolge» seit jeher in Frage.

Der Schlüssel ist vor Schiff, Hahn, Buch und einem umgedrehten Kreuz das wichtigste Heiligenattribut von Simon Petrus. Dieser Schlüssel Petri ist ein sehr häufiges Symbol in Wappendarstellungen. Allem voran die Papstwappen. Tiara und Schlüssel sind in der Volldarstellung stets vorhanden, die Symbolik ist selbsterklärend. Ein schönes Beispiel eines Gemeindewappens mit ebendiesen Attributen ist dasjenige von Ascona: zwei gekreuzte Petrusschlüssel unter einer päpstlichen Tiara auf blauem Grund. Bis 1403 gehörte Ascona zu Mailand, das Gemeindewappen drückt die Macht des Papstes besonders unmissverständlich aus.

Zurück in die Walchwiler Pfarrkirche. Interessant ist auch der Schöpfer des Bildprogramms am klassizistischen Himmel und seine Zuordnung innerhalb der Kunstgeschichte. Der Luzerner Maler Jost Vital Troxler (1827–1893) führte die Deckengemälde in der Walchwiler Pfarrkirche im Jahre 1867 in Ölfarben auf Kalkmörtel aus. Die Umrisse in den feuchten Putz geritzt und al fresco ausgeführt, die detaillierte Umsetzung erfolgte al secco. Die Art der Malerei entspricht derjenigen der so genannten Nazarener Künstlergruppe. Diese formierte sich im frühen 19. Jahrhundert in Wien und Rom. Ihre Anhänger lehnten die damals als modern geltende akademische Malerei ab und stützten sich hauptsächlich auf die alten Meister. Demnach standen bei den Nazarenern die Figuren im absoluten Zentrum der Darstellung. Landschaft und Architektur waren Nebenschauplätze. Klare Konturen dominierten, die zeichnerische Komponente war gewichtiger als die malerische. Kräftig-leuchtende Farben kamen kaum zur Anwendung, sanfte Pastelltöne verbanden die figürlichen Bildelemente mit der Umgebung. Grundsätzlich sind nazarenische Darstellungen ohne ausgeprägte Dramatik, sondern entfalten ihre Kraft vor allem durch die Ausstrahlung von Ruhe.

Jost Vital Troxler hatte mit Melchior Paul Deschwanden (1811–1881) einen Lehrmeister, der von den Nazarenern besonders stark beeinflusst war. Der Stanser Deschwanden machte in Rom Bekanntschaft mit Friedrich Overbeck, der als einer der Begründer der Nazarenerbewegung gilt. Deschwanden, tiefst beeindruckt vom neuen Malstil, brachte diesen mit in seine Heimat. Sowohl er als auch sein Schüler Troxler zeichnen verantwortlich für die Ausschmückung zahlreicher Kirchen in der Zentralschweiz und auch weit darüber hinaus. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut!» gehen wir Details mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach. Frühere Beiträge finden Sie online unter www.zugerzeitung.ch/hingeschaut.