Leichtes Fieber mit Rufus D

Musik

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Eine Zuger Band verlässt erforschte Nischen, um sich neu zu finden. Dafür muss man zuerst mal viel miteinander reden. So entstehen Stücke, die verwinkelt sind wie eine Berglandschaft.

  • Das Musikvideo zu «Stimmung des Tages». (Bild: Lara Schroeter)
    Das Musikvideo zu «Stimmung des Tages». (Bild: Lara Schroeter)
  • Das Musikvideo zu «Stimmung des Tages». (Bild: Lara Schroeter)
    Das Musikvideo zu «Stimmung des Tages». (Bild: Lara Schroeter)
  • Das Musikvideo zu «Stimmung des Tages». (Bild: Lara Schroeter)
    Das Musikvideo zu «Stimmung des Tages». (Bild: Lara Schroeter)
  • Das Musikvideo zu «Stimmung des Tages». (Bild: Lara Schroeter)
    Das Musikvideo zu «Stimmung des Tages». (Bild: Lara Schroeter)
Zug – Dieser Artikel ist in der November-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Artikeln.

Es klopft, eine Kaktusfeige zerquetscht unter unseren nackten Füssen, die Gitarren eröffnen den Raum über dem ungeraden Beat, wir gehen tauchen, etwas zwitschert, und dann reisst uns Rufus D aus der Schwebe und lässt sägeraue ­Orgeltöne ihre Motive spinnen. Wir stecken mitten im Track «Stimmung des Tages» vom neuen Album «Leichtes Fieber». Die Band Rufus D 
und das neue Album sind das Werk einer lan-gen künstlerischen Transformation. Viel Beziehungsarbeit. Man musste miteinander reden. Denn davor waren die drei beteiligten Musiker einschlägig bekannt als Dubment: Sie spielten mit in der Reggae- und Dub-Szene der Schweiz, hatten ihre Nische gefunden. Und dann war’s Zeit, aus der Nische auszubrechen.

Raus aus der Reggae-Ecke
Der Zuger Linus Meier sitzt gerade in einem Gang an der Hochschule Luzern, wo er seinen Master macht. Er ist der Bassist der Band, hat das Trio mit seinem Mitbewohner und langjährigen Freund Dominik Zäch gegründet, ebenfalls ein junger Bekannter in der Zuger Musikszene, und zusammen mit Balz Muheim, dem Schlagzeuger der Band. «Dominik und ich kannten uns von diversen anderen Zuger Bandprojekten wie A.K.A. Unknown und Mata Maka», sagt Meier. «Und den Balz haben wir im Vorkurs an der Hochschule kennengelernt, an einem Workshop, den wir zusammen hatten. Wir sind dann mal zusammen an eine Jam-Session in der Galvanik und haben dort einen Jazz-Standard in Dub verwandelt – das war der Anfang von Dubment.»

Mehr künstlerischer Freiraum muss her!
Das Ende von Dubment kam mit der Corona-Pandemie. «Wir haben gemerkt, dass wir etwas Neues machen wollten.» Die drei waren in der Zwischenzeit als professionelle Musiker gewachsen, hatten Neues gelernt und entdeckt, die Nische bot nicht mehr genug künstlerischen Freiraum. Aber wie sich den Dub abgewöhnen? «Das war ein langer und schwieriger Prozess», sagt Meier und lacht, «wir haben zuerst versucht, diese Sachen einfach konsequent nicht mehr zu spielen – das hat sich aber auch nicht richtig angefühlt.» Also blieb nur eins: Gemeinsam wachsen, viel andere Musik hören, Dinge ausprobieren. «Und eben, viel miteinander reden. Eine Band ist, das habe ich in letzter Zeit immer wieder gemerkt, ziemlich ähnlich wie eine Beziehung. Man muss immer wieder über alles reden, was einen belastet. Man erschafft zusammen etwas, man hilft ihm beim Wachsen, und irgendwann existiert es unabhängig von dir», sagt Meier.

Grosse Bögen fürs Album
Rufus D ist in vielen Probewochenenden gewachsen. Balz Muheim, der Schlagzeuger der Band, wohnt in Hannover, kann nur einmal im Monat in die Schweiz kommen, dafür dann gleich drei Tage. «Jede Probe bei uns ist ein Probewochenende, wir gehen dann drei Tage in den Proberaum und spielen zuerst mal einfach frei zusammen.» So bringt vielleicht Muheim eine rhythmische Idee mit, bastelt sie auf dem Computer ­zusammen auf der langen Zugfahrt. Die Band spinnt darum Klanglandschaften. Fürs Album sind die Landschaften konkret geworden: Jetzt stehen da feste Bäume, Berge, es plätschern Flüsse in klaren Becken, es gibt Struktur, eine Idee nimmt die nächste an der Hand. Die Musik ist zielsicher und fein aufgebaut, wie eine gelungene Rede, hat Bögen und Motive, die sich gegenseitig Geschichten erzählen. Dafür hat Rufus D viel gearbeitet, denn der Normalzustand ist ein anderer. «Diese Bögen haben wir fürs Album erarbeitet, weil man ein Album anders hört als man ein Konzert hört: Live hat man viel mehr Zeit, um eine musikalische Stimmung entwickeln zu können. Live kann man auch mal eine Stimmung länger stehen lassen.» Live ist Rufus D in einer Landschaft unterwegs, die beweglich ist, da werden Bäume zu Bergen und Flüsse zu Bächen. Da wird viel improvisiert, es ist ein momentanes Wachstum.

Ab ins Gasthaus Grünenwald
Auf dem Album sollen die Hörerinnen und Hörer eher geführt werden, deshalb hat die Band viel Zeit in jeden Schlenker und jede Kurve investiert. Erst dann ist sie ins Gasthaus Grünenwald gefahren und hat dort in sieben Tagen das ganze Album aufgenommen. Der Grünenwald ist schon seit 20 Jahren unter Bands sehr beliebt, die an einem abgelegenen (und bezahlbaren) Ort etwas erarbeiten möchten: «Wir waren da für ein Probeweekend und unser Techniker, Joschka Weiss, hat gesagt: ‹Das klingt gut hier, lass uns das Album hier aufnehmen.› Das Haus klingt roh, es hat eine eigene Akustik, die für ­gewisse Projekte gut passen kann», sagt Meier und ergänzt lachend, «und für andere auch nicht.» Für Rufus D hat’s gepasst. So sind die Tracks «Roxk Ong» entstanden, «Nacht_2» und «Nacht_13», «Kaufhaus», «Nachtzug» und «Jugendraum». Und eben: «Stimmung des Tages». Es sind Tracks, die voller Energie stecken, die nur darauf wartet, hier und da zu eskalieren. Minimale Gestaltungen über waghalsigen Rhythmuskonstruktionen – und das Ganze hält ei­nerseits und nimmt uns andererseits mit auf Entdeckungsreise.
Die Band hat eine Menge Videokünstler:innen dafür begeistert, zu den Tracks Videos zu gestalten. Deshalb zerquetschen wir Kaktusfeigen unter unseren nackten Füssen zu «Stimmung des Tages». Die Videos machen die Reiserouten durchs Unbekannte mit, die sich Rufus D ausgedacht hat. Sie arbeiten mit übereinandergelegten Bildern. «Man weiss nicht recht, was man wirklich sieht», sagt Meier, und wahrscheinlich weiss man auch nie recht, was man wirklich hört. Es ist eine grundsätzlich freie Musik. «Nun müssen wir uns für die Live-Tour die Bögen wieder abgewöhnen und wieder freiere Wege finden», sagt Meier. Nur, wo spielt man solche Musik? Die komfortable Dub-Nische ist ja aufgegeben. Die Tour führt Rufus D durch die Schweiz und nach Deutschland. Sie macht auch Halt im Burgbachkeller. «Ich denke, wir werden sehen, in welchem Kontext das funktioniert. Klassischer­weise ist solche experimentelle Musik eher in Jazz-Orten zu hören», sagt Meier. «Aber eigentlich glaube ich, wenn die Energie stimmt und die Band Drive hat, kann man sich für alles begeistern.»

Hier gehts zum Konzert: zugkultur.ch/qpuU5P

(Text: Falco Meyer)