Düsterer Einblick in menschliche Abgründe

Literatur & Gesellschaft

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Der Zuger Krimiautor Lorenz Müller präsentiert seinen dritten Roman «Der Tod kommt nach Zug».

  • Die Altstadtgassen kennt der Zuger Autor Lorenz Müller wie seine Westentasche. (Bild Matthias Jurt)
    Die Altstadtgassen kennt der Zuger Autor Lorenz Müller wie seine Westentasche. (Bild Matthias Jurt)

Zug – Keine Angst, sie sind noch da, die beiden sympathischen, eloquenten Helden des Zuger Autors Lorenz Müller. Auch in seinem dritten Kriminalroman «Der Tod kommt nach Zug» spielen der Sicherheitsexperte Daniel Garvey und seine Frau, die IT-Spezialistin Anna, die inzwischen eine Familie gegründet haben, eine tragende Rolle. Im Zentrum des Geschehens steht diesmal jedoch der ehemalige Polizist Josef Forster, welcher rund um das Mafia-Geschehen des letzten Romans «Der Pate von Zug» seinen Job und seine Frau verloren hat. Er ertränkt sein Selbstmitleid im Alkohol, der ihm vorzugsweise in der altstädtischen Fischerstube serviert wird.

Hier greift der Autor ein wenig in die Klischee-Kiste mit der Figur des abgehalfterten Bullen, wie sie oft in Kriminalromanen aller Art und Couleur auftritt. Das sei ihm verziehen, denn nichtsdestotrotz wird die versoffne Spürnase gnadenlos aus ihrem Kokon gezerrt, beweist letztlich einen ausgezeichneten Riecher und wird mit einer neuen Sicht auf sein Leben und wie es auf glücklichere Weise weitergehen könnte, belohnt.

Realitätsnahe Geschichte

Klischees ansonsten hinter sich zu lassen und den Lesenden einen unverstellten, realitätsnahen Blick in menschliche Abgründe zu bieten, sei für seinen dritten Roman von Anfang an erklärtes Ziel gewesen, betont der Autor. «In meiner Zeit als Schwyzer Staatsanwalt habe ich schlimme menschliche Tragödien erlebt, war an Tatorten, führte Verhöre und kam Tätern so nahe, dass ich ihre Beweggründe nachvollziehen, wenn auch nicht verstehen konnte. Es ist verrückt, was Menschen sich gegenseitig antun.» Jeder könne unter gewissen Umständen komplett entgleisen. Mit einer solchen Tat, dem blutigen Massaker an einer Familie in einer Zuger Villa, eröffnet der 46-Jährige sein jüngstes Werk.

Mittendrin steht der Sicherheitsexperte Daniel Garvey, der sich im Rahmen seiner Tätigkeit im Panikraum der Villa aufgehalten und nicht das Geringste von den rund 30 Schüssen mitbekommen hat, denen Vater, Mutter und Sohn der Besitzerfamilie zum Opfer gefallen sind. Die 17-jährige Tochter sieht die Leichen ihrer Angehörigen noch vor ihm und flieht. Als er seinen Auftrag beendet hat, entdeckt Garvey das Blutbad, versucht vergeblich, Erste Hilfe zu leisten und wird dabei von der Polizei gestellt.

Alles begann mit einem Lied

«Madworld», ein systemkritischer Song aus den 1980er-Jahren der Gruppe Tears for Fears begleitet die verwöhnte, unzufriedene und unverstandene Tochter Sophie auf ihrem Gang durchs Haus, an dessen Ende sie ihre Angehörigen im eigenen Blut liegen sieht. «Ich schnappte diesen Song auf, und er ging mir nicht mehr aus dem Kopf», sagt Lorenz Müller. Der zutiefst depressive Text habe ausgezeichnet zur düsteren Stimmung gepasst, die seinen dritten Roman prägen sollte. «Ich wollte keine Serie von immer gleichen Geschichten schreiben. Auch der erste und zweite Roman unterscheiden sich grund­legend.» Das zeigt sich unter anderem in der Wahl der Wetter­lage. Während sich die Protagonisten der rasanten Mafia-Geschichte durch die drückende Hitze eines Zuger Jahrhundertsommers quälen, spielt sich «Der Tod kommt nach Zug» unter trübem, neblig grau verhangenem Himmel ab. Innere und äussere Kälte dominiert die Szenerie.

Natürlich sei dieses Vorgehen riskant, ist sich der Autor bewusst. «Die ersten beiden Romane wurden von der Leserschaft gut aufgenommen. Ich habe jedoch keine Ahnung, wie sie auf diesen ziemlich radikalen Wechsel reagieren wird.»

Ideen hat der Zuger immer mehr als genug. Auch eine Kreativ-Blockade hat sich seiner noch nie bemächtigt, seit er mit der Schreiberei vor sechs Jahren begonnen hat.

Böden und Wände mit Zetteln tapeziert

«Ich fasse jeweils eine Idee ins Auge, entwickle einen groben Plan der Geschichte und skiz­ziere dann jede einzelne Szene auf kleinen Karten und Post-it-Zetteln auf, deren Anordnung sich beliebig ändern lässt.» Während des kreativen Planungsprozesses seien Wände und Fussböden seiner Wohnung jeweils mit dieser Zettelwirtschaft tapeziert. «Manche verschwinden auch hinter den Möbeln», gesteht er lachend. Als Stadtzuger kennt Müller zwar die örtlichen Begebenheiten gut, «aber die Finessen, die genauen Ecken, Winkel und Richtungen, von welchem Standort aus man was genau sieht, recherchiere ich auf Google Street View oder direkt vor Ort».

Obschon seine Figuren durch manch eine Hölle gehen und das nasskalte Wetter ihnen zudem auf Magen und Gemüt schlägt, ist Lorenz Müller selbst bei bester Laune und Gesundheit. «Ich werde sicher weiter schreiben, ob mit denselben Helden oder neuen, weiss ich noch nicht.» Man darf gespannt sein. (Text von Cornelia Bisch)


Hinweis

Der Autor Lorenz Müller liest aus seinem Kriminalroman «Der Tod kommt nach Zug» am 6. Oktober um 19.30 Uhr in der Buchhandlung Balmer Bücher in Zug und am 15. November in der «Fischerstube» Zug.