Ein Schlüsselwerk postmoderner Architektur

Kunst & Baukultur

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Eine Führung durch die Metalli Zug wirft Fragen zum Erhalt von Bauwerken aus der Epoche 1975 bis 2000 auf.

  • Blick in die Passage der Metalli Zug. Die Mailänder Galleria Vittorio Emanuele II inspirierte die Architekten. Symbolbild: Maria Schmid
    Blick in die Passage der Metalli Zug. Die Mailänder Galleria Vittorio Emanuele II inspirierte die Architekten. Symbolbild: Maria Schmid

Zug – «Es ist erstaunlich, wie anders die Metalli wirkt, wenn man sie mit frischem Blick betrachtet.» Diese Erkenntnis teilten viele der Teilnehmer einer Führung der Zuger Sektion des Schweizer Heimatschutzes am sonnigen Samstagvormittag, als sie die architektonische Bedeutung dieses besonderen Stadtquartiers erkundeten.

Die Schweizer Heimatschutzkampagne «Baukultur 1975–2000» bot den Anlass, die Metalli als ein herausragendes Beispiel der Zentralschweizer Postmoderne zu würdigen und gleichzeitig die aktuellen drängenden Fragen zur Erhaltung zeitgenössischer Bauwerke zu thematisieren.

Manchem Metalli-Besucher ist beim Bezahlen des Parktickets vielleicht ein Tischchen zum Abstellen der Einkäufe aufgefallen. «Dieses Detail ist nicht nur funktional – es ist ein Statement im Sinne der Postmoderne, das die Aufmerksamkeit für ornamentale Merkmale und die Wertschätzung für hochwertige Materialien betont», erklärte Cyril Kennel, Design- und Architekturhistoriker aus Zug, während seiner 90-minütigen Tour, in der er die wesentlichen Züge und vermeintlich banalen Elemente der postmodernen Architekturperiode sachkundig, verständlich und unterhaltsam darlegte.

Die Metalli als Stadtquartier zum Flanieren

Nach intensiven Debatten stand 1983 nach einer Volksabstimmung fest: die Zuger möchten auf dem gigantischen Areal der ehemaligen Metallwarenfabrik kein Shoppingcenter, sondern ein neues integriertes Stadtquartier zum Flanieren, das Elemente der klassischen fussgängerfreundlichen Stadtgestaltung nachahmt.

Das Architekturbüro Hafner und Wiederkehr hatte im Entwurf die Metalli als durchgehendes Raster konzipiert, mit Stadtplatz und tonnengewölbter ­Passage, inspiriert von der Mailänder Galleria Vittorio Emanuele II. Mit dem klassischen dreiteiligen Fassadenaufbau und der Wahl des edel-braunen Natursteins Travertin sei der repräsentative Charakter der Metalli gestärkt worden, «so, dass Touristen bei ihrer Ankunft am Bahnhof die Metalli gerne mal mit einem Regierungsgebäude verwechseln», erzählte Cyril Kennel.

Da in der Zentralschweiz die Postmoderne eine abstraktere Form angenommen hat als anderswo, ist die Bildwelt der Metalli insgesamt weniger aufdringlich und mag für den Laien nicht sofort erkennbar sein. Cyril Kennel gelang es dennoch, die postmoderne Bildsprache an verschiedenen Stellen der Metalli überzeugend zu benennen.

So etwa bei der Erklärung zum vermeintlich funktionslosen Balkon an der Metallstrasse. Dazu erklärte Cyril Kennel, die postmoderne Architektur sei bekannt für ihr Konzept der Wahrnehmungssteuerung: durch unkonventionelle Materialien, wie beim Parkhaus-Tischchen, oder mittels unerwarteter Formen und Elemente. Der Zugang zum Wohnraum der Metalli, der über vier mittelalterlich anmutende Türme erfolgt, hätte zum Beispiel ohne visuelle Begrenzungselemente zu massiv auf die Betrachter gewirkt. Daher sei der «einsame Balkon» konzipiert worden – mit der Aufgabe, das Auge zu stoppen.

Denkmalschutz für die Postmoderne?

Beim abschliessenden Apéro auf der Empore rückte unter den Anwesenden die identitätsstiftende Bedeutung der Metalli in den Fokus. Die Gespräche drehten sich insbesondere um die Frage, ob die Metalli als architektonisches Erbe geschützt werden sollte und ob es überhaupt möglich sei, ihren Wert bereits heute angemessen einschätzen zu können.

Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Zuger Debatte um ihre zeitgenössische Baukultur wendet. Es erscheint hierbei ratsam, der Bauphase von 1975 bis 2000 besondere Beachtung zu schenken, um unreflektierte Transformationen oder Abrisse zu vermeiden. (Text von Daniela Gerer)