In der Hängematte statt ans Kreuz genagelt
Kunst & Baukultur
Jevgeni Ennio Solomko hat mithilfe von künstlicher Intelligenz Werke geschaffen, die Jesus in der Gegenwart zeigen. Nun hängen 14 seiner Bilder in der Kirche St.Johannes in Zug.
Zug – Beinahe wäre Jevgeni Ennio Solomko Mönch geworden. Er war bereits zu Fuss und via Autostopp von Kiew nach Rom gereist, sein Ziel wäre der heilige Berg Athos gewesen. Doch in Italiens Hauptstadt hatte er eine folgenreiche Begegnung, die er als Zeichen wahrnahm, erzählt der Ukrainer mit Künstlername Ennio. Ein Zeichen dafür, dass das Leben in Gesellschaft, das Leben mit der Kunst der richtige Weg ist für ihn. Nicht jenes eines Mönchs. Und so wurde Ennio zu dem, was er heute ist.
Seit dem 2. Februar hängen 14 Bilder des ukrainischen Künstlers in der Stadtzuger Kirche St. Johannes. Die dort ansässige Pfarrei unterstützt Ennio aus ihrem «Fonds Humanum». Die Ausstellung zeigt Bilder von Jesus. Er ist es zweifelsohne, denn er sieht so aus, wie man ihn aus Büchern oder Gotteshäusern kennt: ein Mann mit hohen Wangenknochen, einer geraden Nase und Bart, das symmetrische Gesicht eingerahmt von langem, welligem Haar. Und doch unterscheidet sich der Jesus auf Ennios Bildern von allem, was man bisher mit Gottes Sohn in Verbindung gebracht hatte.
Die Geschichte Jesu weiterdenken
Ennio ist fasziniert von der künstlichen Intelligenz. Er geht sogar so weit, zu sagen, dass sie die für ihn beste Gesprächspartnerin ist. Schon vor dem Gespräch mit unserer Zeitung hat der 38-Jährige mit ChatGPT ein fiktives Interview geschrieben.
Als kleines Experiment, mit Respekt für die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten, sagt er. Eine Passage darin beschreibt die Bilder, die der ukrainische Künstler derzeit in der Kirche St. Johannes ausstellt: «Ich fand es interessant zu sehen, wie die künstliche Intelligenz Jesus in der modernen Welt darstellen würde, insbesondere als Quelle der Liebe und Energie.» Aus dieser Idee entstanden Werke, die Jesus in einer Hängematte, auf einem Fahrrad oder in Plastikfolie gewickelt zeigen. Ennio: «Die Geschichte Jesu endet abrupt. Niemand weiss, was mit ihm geschehen ist, nachdem er in den Himmel gekommen ist.» Die Ausstellung «Jesusbilder WELToffen» soll Gläubigen hierzu neue Denkanstösse geben.
Wie schafft man die Verbindung zwischen einer der modernsten Technologien unserer Zeit und einer solch altherkömmlichen, tief katholischen Geschichte? «Mit Respekt», so Ennios Antwort. Mit seinen Bildern möchte er einen anderen Jesus zeigen als jenen leidenden, abgemagerten Mann, den man in jeder Kirche am Kreuz hängen sehe.
Umweltschutz ist dem Künstler wichtig
Bisher hätten sich die meisten Besuchenden positiv zu den Werken geäussert. Jedoch überlegt deren Schaffer, ob er die bislang unbeschrifteten Bilder künftig mit wenigen Worten umreissen sollte. Damit klar sei, was er damit zeigen möchte.
Denn: Ennio habe mitbekommen, wie eine Frau das Bild des mit Plastikfolie umwickelten Jesus als respektlos wahrgenommen habe. «Die Frau war so schnell weg, dass ich es ihr nicht erklären konnte», sagt der Künstler. Das Bild solle vermitteln, dass auch Jesus die Verschmutzung der Weltmeere zu schaffen mache. Ennio findet: «Wer Gott ehrt, muss auch die Erde ehren.» Andere seiner Werke greifen das Thema Umweltschutz ebenfalls auf.
Der 38-Jährige spricht Englisch, gespickt mit deutschen Wörtern. Es sind erstaunlich viele, schliesslich lebt er erst seit 16 Monaten in der Schweiz. Nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine blieb er noch eine Weile in seiner Heimat nahe Kiew, um das Land zu verteidigen. Später fand er mit seiner Familie eine gemeinsame Bleibe in Zug.
Seine Heimat vergisst der Ukrainer aber nicht. Der Erlös seiner Ausstellung fliesse in die Beschaffung von Verbandsmaterial für ukrainische Streitkräfte und verwundete Zivilisten.
Hinweis
Die Ausstellung «Jesusbilder WELToffen» ist seit dem 2. Februar und bis zum 15. April in der Kirche St. Johannes in Zug zu sehen. (Text: Kristina Gysi)