Er wollte immer ein Handwerker sein
Kunst & Baukultur
Mit dem Tod von Walter F. Haettenschweiler verlor Zug eine illustre Persönlichkeit. Kaum einer hat das Gesicht von Stadt und Kanton so geprägt wie er.
Zug – Es war der vergangene 7. Oktober, als Zug das Ableben eines seiner wohl grössten «Stadtoriginale» zu beklagen hatte. Walter «Haetti» Friedrich Haettenschweiler war Zuger mit Leib und Seele, Zuger «Seebueb», wie er sich selber neckisch nannte. Am 3. Januar 1933 in einfachen Verhältnissen in der Kolinstadt geboren, hat er im Laufe seiner handwerklichen und künstlerischen Karriere der Stadt im wahrsten Sinne des Wortes ein Gesicht verliehen. Überall in der Stadt und auch im Kanton stösst man auf Haettis Hinterlassenschaften, doch dazu später.
Walter F. Haettenschweiler war Grafiker und Gestalter mit Leib und Seele. Dabei wollte er ursprünglich Architekt werden. Aber sein Entscheid im Alter von 17 Jahren, sich an der Kunstgewerbeschule in Zürich einzuschreiben, war schliesslich laufbahnbestimmend. Seine Mutter war eine treibende Kraft und hat ihn unterstützt, wo immer sie konnte. Nach Abschluss des Studiums widmete sich Haetti der Typografie wie auch der Gestaltung von Plakaten oder Briefmarken. Eine erste Anstellung erhielt er in Feldmeilen, wo er als Firmengrafiker Verpackungen für die Hag-Kaffeerösterei entwarf. Voller Tatendrang und vom Künstlergeist durchdrungen, richtete Haettenschweiler sich Mitte der 1950er-Jahre sein eigenes Atelier ein. Hier befasste er sich vorerst hauptsächlich mit der Gestaltung von Schriften, und hier ist auch die legendäre Schrift entstanden, die Microsoft später wohlbemerkt ohne den Zuger um Erlaubnis zu bitten – in ihre offizielle Schriftensammlung aufgenommen hat.
Der Herr der Signete
Ein massgebliches Verdienst Haettenschweilers ist die vierbändige Mustersammlung «Lettera», entstanden zwischen 1954 und 1972 in Zusammenarbeit mit dem Typografen Armin Haab. In mehrere Sprachen übersetzt und in mindestens 60 Ländern vertrieben, gilt die Bücherreihe als ein Standardwerk in Sachen Schriftensammlung. Bald klopften kleine und grosse Unternehmen bei Haetti an. Sie brauchten ein aussagekräftiges Firmensignet oder -logo. Über 150 Unternehmen schweizweit ein Grossteil davon im Kanton Zug – hat Haettenschweiler eine unverkennbare Identität verliehen. Auch Sportverbände, Clubs oder Stiftungen wie die Doron-Stiftung von Marc Rich erhielten von ihm ein ureigenes Erscheinungsbild. Eines der markantesten Signete ist mit Sicherheit der geometrisch-abstrahierte Vogel des Schweizerischen Reisebüro-Verbandes (kleines Bild oben rechts). Im Jahr 2006 haben das Zuger Grafiker-Duo Caroline Lüthi und Ueli Kleeb eine Haettenschweiler-Ausstellung in Zug und Zürich auf die Beine gestellt und seinem bedeutenden Werk wieder neue Beachtung verschafft. Unter dem Motto «Schriften für die Welt, Logos für Zug» wurde die Tragweite von Haettenschweilers Kunst besonders deutlich.
Grosses zeichnerisches Talent
Die Grafik und Typografie ist stets Walter F. Haettenschweilers Steckenpferd geblieben. Dennoch verbrachte er mehrmals eine kürzere oder längere Zeit im Ausland, um sich der bildenden Kunst zu öffnen. Zahlreiche Zeichnungen und Gemälde sind in den 1950er- und 1960er-Jahren etwa in der Bretagne entstanden, wo er mit seinem Zuger Künstlerkollegen Johnny Potthof (19112003) weilte. Die Arbeiten zeugen von einem grossen zeichnerischen Talent, und er war in der Anwendung unterschiedlichster Techniken sehr vielseitig und auch experimentell. «Zwar hielt er sich nicht so oft in der Natur auf», weiss seine Tochter Sasha. «Aber dank seinem fotografischen Auge malte er wundervolle Landschaften.» Und diese seien stets unverkennbar gewesen, sagt der Zuger Schriftsteller Max Huwyler, der mit Walter F. Haettenschweiler gut bekannt war. «Er war so sicher in seiner Kunst. Sicher in allem, was er gemacht hat.» Walter F. Haettenschweiler hatte sich zum interdisziplinären Künstler entwickelt. Neben der Grafik malte er also und arbeitete zudem auch noch plastisch. Ein eindrucksvolles Zeugnis seines handwerklichen Schaffens ist die Figurengruppe in der reformierten City-Kirche in Zug: Jesus mit seinen zwölf Jüngern, aus hölzernen Eisenbahnschwellen angefertigt.
Der Zuger Kunstschaffende Remo Hegglin kannte Haettenschweiler bereits zu Kanti-Zeiten. «Für mich war er stets ein Vorbild, um nicht zu sagen ein Wegbereiter.» Und dass Haetti stets ein Handwerker geblieben ist, fasziniert ihn. Seine Arbeiten habe er immer von Hand entworfen, nie digital. «Und dass er immer junge interessierte Leute um sich hatte, hat ihn wohl selbst so jung gehalten.»
Ein Vater und guter Freund
Besonders zu erwähnen ist, dass Haettenschweilers fünf Kinder entsprechend einen engen Draht zu ihrem Vater hatten. «Für uns Kinder war sein Atelier Inspirationsquelle und Heimat zugleich. Er hat uns die Welt der Kunst und des Gestaltens eröffnet, und wir konnten viel davon mitnehmen für unseren eigenen Werdegang», sagt Tochter Sasha, die heute im Modebereich gestalterisch tätig ist. «Er war nicht nur unser Vater, sondern unser guter Freund sowie ein humorvoller und geistreicher Begleiter. Er hat sich eine gewisse Narrenfreiheit nie nehmen lassen.» So sei er an der Fasnacht gerne als Clown kostümiert ausgegangen. Nach einer Begegnung mit Dimitri an einem Anlass der Donor-Stiftung von Marc Rich hat dieser ihm sogleich Bilder abgekauft. Ohnehin war der Clown ein beliebtes Motiv wenn er malte. Doch als Kontrast zu dieser Freiheit als charmanter Lebemann und zu seiner humoristischen Seite habe er auch ein sehr pragmatisch denkendes Wesen gehabt.
Der Denker
Er sei ein grosser Stratege, intelligenter Denker und auch Geschäftsmann gewesen, weiss seine Tochter. Im Café Ritz war Walter F. Haettenschweiler Stammgast und gab sich hier regelmässig den Freuden des Schachs hin. Auch Jassen war eine seiner Leidenschaften er liebte das Spiel. Man erfuhr Haetti als eher zurückhaltend, ruhig und bescheiden, findet Max Huwyler. Und wohl schon deshalb war er besonders «gmögig». Auch der Autor dieser Zeilen schliesst sich dem an, hat er Walter F. Haettenschweiler doch als überaus offenen und sympathischen Menschen kennen lernen dürfen, der den Boden unter den Füssen nie verloren zu haben scheint. Eines seiner Markenzeichen war die Zigarre. Einen Haettenschweiler ohne Zigarre anzutreffen, sei die Ausnahme gewesen. «Die Leidenschaft fürs Zigarrenrauchen war so gross, dass ihm einmal fast das Zimmer abgebrannt wäre», weiss die Tochter zu erzählen.
Er wollte 80 werden
Walter F. Haettenschweiler war gesund, fit, lebensfroh und in seiner Kreativität unerschöpflich bis ins hohe Alter. «Ich möchte noch 80 werden», habe er einst gesagt, wie seine Tochter sich erinnert. Dieser Wunsch ist ihm in Erfüllung gegangen.
Walter F. Haettenschweiler hinterlässt eine grosse Lücke. Doch er wird weiterleben an vielen Orten in seiner Stadt Zug, im Kanton und auch ausserhalb. Immer und überall wird man auf Hinterlassenschaften des leidenschaftlichen und ungemein schaffensreichen Grafikers und Künstlers stossen. (Andreas Faessler)