Fotografien sollen Vorurteile bekämpfen

Kunst & Baukultur

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Die in Cham geborene Cynthia Villiger möchte mit fünf weiteren Künstlern die pulsierende, menschliche und herzliche Seite von Belgrad in einer Ausstellung in der Galvanik aufzeigen.

  • Serbiens Hauptstadt in sechs verschiedenen Perspektiven: Rokas Jankus, Igor Petrović, Cynthia Villiger, Nemanja Podraščić und Nikola Avramović (von links) an ihrer Fotografieausstellung «Ein Bild von Belgrad» in der Galvanik in Zug. Ivan Marić konnte nicht anwesend sein. Bild: Stefan Kaiser (17. 4. 2024)
    Serbiens Hauptstadt in sechs verschiedenen Perspektiven: Rokas Jankus, Igor Petrović, Cynthia Villiger, Nemanja Podraščić und Nikola Avramović (von links) an ihrer Fotografieausstellung «Ein Bild von Belgrad» in der Galvanik in Zug. Ivan Marić konnte nicht anwesend sein. Bild: Stefan Kaiser (17. 4. 2024)

Zug – Belgrad bedeutet «die weisse Stadt», doch für viele mag sie auf Bildern oder oberflächlich betrachtet eher grau und in die Jahre gekommen wirken. Überschattet von Korruption und Kriminalität, mit zerbombten Gebäuden durch die Nato Ende der 1990er-Jahre wegen des Kosovo-Konflikts, hat die serbische Hauptstadt oft mit Vorurteilen zu kämpfen. Doch sie ist vielseitiger, als es scheint und hat viel versteckte Schönheit zu bieten.

Was sie genau erwarten wird, konnte sich die Maskenbildnerin Cynthia Villiger, aufgewachsen in Cham, aktuell in Hamburg lebend, nicht ausmalen. Ein Atelierplatz wurde ihr von der Stadt Zug als Mitgliederstadt der Städtekonferenz Kultur (SKK) zur Verfügung gestellt. Vier Monate durften sie und ihr Freund Rokas Jankus, 37, in Belgrad leben und sich künstlerisch betätigen. Dabei entdeckte die 34-Jährige ihre Leidenschaft für die Strassenfotografie. «Belgrad bot sich sehr gut dafür an. Denn es ist eine unglaublich vielseitige, lebendige Stadt, voller offener Menschen und Geschichten. Wir haben Tausende von Bildern geschossen», sagt Villiger.

Durch die sozialen Medien kamen sie mit den lokalen Strassenfotografen Igor Petrović, 34, Nemanja Podraščić, 33, Nikola Avramović, 38, und Ivan Marić, 48, in Kontakt. Es entstanden Freundschaften daraus, die über die Leidenschaft zur Fotografie hinaus gehen. Die aussagekräftigen und oft nicht im klassischen Sinne schönen Fotografien sind aktuell in der fotografischen, audio- und videografischen Ausstellung «Ein Bild von Belgrad» in der Galvanik zu sehen. Die letzte Führung findet am Samstagmittag statt. Den Abschluss der Ausstellung bildet am Samstagabend ein Konzert der bekannten, ehemals jugoslawischen Rockband Zabranjeno pušenje.

Serbisches Essen (Taste of Balkan), Musik, die man auf den Strassen Belgrads hört, sowie zwei Konzerte am Freitagabend (Slavi i Dino und Laret) runden das Programm zusätzlich ab. Villiger ist sehr dankbar, dass ihre Ausstellung in der Galvanik stattfinden darf: «Ich wollte Zug gerne etwas zurückgeben – dafür, dass ich diese wunderbaren vier Monate in Belgrad verbringen durfte.»

Serbien hat noch kein Recht am eigenen Bild

Zur Vernissage und Podiumsdiskussion am Mittwochabend erschienen rund 80 Gäste. Mit ihren unverblümten Fotografien verschaffen die sechs Fotografierenden einen persönlichen Blick auf die pulsierende Hauptstadt Serbiens, mit dem im Mittelpunkt stehenden, authentischen Bild vom täglichen Leben ihrer Menschen. Festgehalten wurden Momente von diskutierenden Roma-Familien, vielen schlafenden Menschen im öffentlichen Raum oder spielenden Kindern inmitten hochragender Plattenbauten, welche die Ästhetik des alltäglichen Lebens in Belgrad dokumentieren.

Doch wissen all die abgebildeten Personen von ihrem Glück, in der Ausstellung bewundert werden zu dürfen? «In Serbien gibt es das Recht am eigenen Bild noch nicht. Das war unser Glück, denn so konnten wir viel effizienter und kreativer fotografieren. Es entstanden problemlos auch alltägliche Szenen mit beispielsweise Polizisten, die in der Schweiz oder Deutschland so nicht möglich wären», erklärt Jankus.

Villiger fährt fort: «Die Menschen dort gehen auch ganz anders damit um. Sie freuen sich darüber, fotografiert zu werden, und fragen auch nicht gleich nach, wofür es verwendet werden wird. Oft lächeln sie in die Kamera.» Bei der Podiumsdiskussion erklärt der Künstler Nikola Avramović dies damit, dass in den 1950er- bis 1980er-Jahren das Fotografieren im ehemaligen Jugoslawien nach dem Sport eines der beliebtesten Hobbys war. «Es war ein niederschwelliges Freizeitangebot, das sehr viele damals ausübten. Man kam auch günstig an Fotokameras aus der Sowjetunion ran. Bis heute ist die Fotografie positiv in den Köpfen der Serbinnen und Serben verankert», so Avramović.

Mit dem Konzept der Veranstaltung soll der künstlerische Austausch zwischen den Ländern Schweiz und Serbien wie auch anderen ehemaligen jugoslawischen Staaten vertieft werden. Des Weiteren soll das teilweise vorherrschende stereotypische Bild von Belgrad neu betrachtet werden können. «Alle Interessierten sollen vorbeikommen und sich durch unsere Momentaufnahmen ein eigenes Bild von Belgrad machen», sagt Cynthia Villiger abschliessend. (Text von Tijana Nikolic)


Hinweis

Weitere Informationen zur Ausstellung und zum Programm: www.galvanik-zug.ch