Von Diktatoren und Nichtschwimmern
Kunst & Baukultur
Die fünfte Kunstnacht war wild. Es wurden Bilder verbrannt, Ikonen in Jacken gehüllt und Dachlatten durch den Kanton gefahren.
Zug – Wer ist hier der Diktator? Im Kunstkiosk Baar sind die Wände voll mit Porträts von Herren, deren Konterfei und Name für Gewalt, Mord und Machtmissbrauch steht: Hitler, Stalin, Pol Pot, Idi Amin. Alle blicken sie einen aus harmlos anmutenden, kleinen Rahmen an. Eine Familiengalerie. Und plötzlich ist man selbst ein Teil davon: Ein kleiner Spiegel hängt zwischen all den Porträts ziemlich blöde schaut man da ganz unvermittelt aus der eigenen Wäsche. Ebenfalls ein Teil dieser masslosen Sippschaft: der Rohstoffkonzern ums Eck, dessen Name irgendwie gar nicht aus dem Rahmen fallen will.
Mechanismen der Macht
«Wir sind alle Diktatoren und sei es nur, um das eigene Ego durchzuboxen», findet Oliver Ziltener, Künstler und Informatiker aus dem Aargau. Der Macher der derzeitigen Ausstellung im Kunstkiosk Baar beschäftigt sich seit zwei Jahren mit diesem Thema, das leider immer eines ist. Ihren Anfang genommen hätten seine Überlegungen bei der täglichen Betrachtung narzisstischer Menschen, Businessmen, Alpha-Tieren. Vom Thema Narzissmus sei es nicht weit zum Thema Diktatur: «Bei Hitler und Stalin begannen meine Recherchen, doch bald ergab sich ein ganzes Netzwerk, und irgendwann war ich bei mir selber angelangt.»
Wer ist ein Diktator und wer ein Freiheitskämpfer? Ein Kroate habe Tito verteidigt, ein Serbe Milosevic. Der Linke wolle Castro nicht derart gerahmt sehen, der Somalier habe geflucht und gezittert. «Geschichten zum Sammeln», sagt Oliver Ziltener. Die Besucher der Kunstnacht sammeln sich derweil in Betrachtungen über die Mechanismen der Macht. Dazu gibt es famose Musik von einem Trio aus Sursee namens Madame Gmür, in Uniform und spielsicher in Volksmusik aus Nord wie Süd, Ost wie West. Robert Fellmann in der Mitte des gleichnamigen Parks ist sicherheitshalber eine warme Jacke mit Goldknöpfen umgehängt worden. Frösteln muss er aber ohnehin nicht: Um ihn herum verbrennen Eifrige im Namen der richtigen Kunstgesinnung eine Reihe von Bildern auf Staffeleien.
Unterwegs im Ur-Mobil
Etwas weniger furios gestaltet sich die Kunstnacht ein paar hundert Meter weiter, in der Galerie Billing Bild. Dafür fährt hier eine Überraschung vor: Das Kunstkollektiv ckö aus Zug und Zürich kurvt als «Museum für Urgeschichte on tour» ums Eck. Auf sein wendiges Fahrzeug hat es eine Konstruktion aus Dachlatten gepackt, betitelt mit «Einfach tun». Im Ur-Mobil servieren Sara Widmer, Daniel Lütolf und Georg Krummenacher Popcorn und Kaffee. Und wo trifft man sonst auf dieses freigebige Kollektiv? Die drei haben die Kindergalerie im Museum für Urgeschichte gestaltet und sind beim aktuellen Kunstprojekt der Stadt Zug, das sich den «Herrlichen Zeiten» auf städtischen Plätzen verschreibt, mit von der Partie. In der Galerie ist eine Performance in Gang: Laura Laeser und Daniel Häller aus Luzern fügen sich nahtlos in die Kunst von Eugen Jans ein. Er liegt auf dem Kiesbett aus Schotter und Weisstanne, sie sitzt davor und trommelt auf einen Tisch, bis sie es müde und viel schwarzer Sand zu Boden gerieselt ist. Ein Dialog zwischen Mann und Frau, und wieder geht es um das Thema Macht. Galerist Gert Billing ist beeindruckt. Und meint nach vielen Komplimenten trocken: «Jetzt ein Putztrupp.» Als Mitorganisator der Zuger Kunstnacht findet Billing: «Sie ist zur Institution geworden.» Das bestätigt Eugen Jans, der im Vorfeld Flyer verteilt hat: «Die Leute haben sie gerne genommen endlich mal was ohne politischen Kopf drauf…»
Ein paar tropfnasse Stoffpuppen
In der Zuger Gewürzmühle stecken noch ein paar Gäste die Köpfe zusammen. Das Konzert der Werkstatt für improvisierte Musik (WIM Zug) ist über die Bühne, Gastmusiker Cyrill Lim lobt die Kunstnacht als «konzentrierten Moment, in dem vieles ineinandergreift». Draussen auf dem Gelände sprechen diverse Installationen ihre stille Sprache. Und lassen laut auflachen. Ein paar tropfnasse Stoffpuppen hängen nackt an einer Wäscheleine. «Lernen Sie besser schwimmen!» steht dabei. Das kann nur von Gisela Bitterli sein, denkt man und fühlt sich angesichts dieses Humors sicher vor jedem Diktator. Auch dem eigenen. (Susanne Holz)