Seine Werke sind hängengeblieben

Kunst & Baukultur

,

Der Chamer Maler Willi Ingold kehrte seiner Heimat den Rücken. Dennoch ist sein Werk für die Gemeinde wichtig.

  •    Ein Ölbild von Willi Ingold, Blick vom Räbacker in Richtung Dorf Cham und Alpen von 1955. Bild: Chamapedia
    Ein Ölbild von Willi Ingold, Blick vom Räbacker in Richtung Dorf Cham und Alpen von 1955. Bild: Chamapedia
  •    Ein Ölbild von Willi Ingold, Blick vom Räbacker in Richtung Dorf Cham und Alpen von 1955. Bild: Thomas Fähndrich
    Ein Ölbild von Willi Ingold, Blick vom Räbacker in Richtung Dorf Cham und Alpen von 1955. Bild: Thomas Fähndrich

Cham – «Ohne Perspektive bist du verloren.» Diesen Satz diktierte der Chamer Willi Ingold (kleines Bild) im September 2002 in die Feder eines Lokaljournalisten der «Aargauer Zeitung». Der damals 68-jährige Ingold erzählte freimütig aus seinem Leben als Maler. Damals, als er in Zofingen Sujets suchte und malte, lebte der 1934 in Cham geborene Künstler seit zehn Jahren in Zuoz im Engadin.

Ingolds Eltern führten im Räbacker eine Gärtnerei, zwischen dem Fussweg ins Löberenquartier und der Schluecht gelegen. Wie auf Chamapedia zu lesen, wuchs er dort mit seiner Schwester auf. Die Familie gehörte einer Freikirche an. Was dazu führte, dass sie im katholischen Cham eher isoliert lebte.

Als 10-Jähriger entdeckte Ingold in Cham seine Leidenschaft fürs Malen. Wie er erzählt, sei er von Alois Kaufmann in die Kunst der Malerei eingeführt worden. Allerdings lässt sich nicht herausfinden, wer dieser Alois Kaufmann war und ob er überhaupt existierte. Zu dieser Zeit soll Ingold laut eigener Erzählung sein erstes Bild ausgestellt und etwa ein Jahr später verkauft haben.

Wie er der «Aargauer Zeitung» im September 2002 sagte, habe er einen ehrbaren Beruf erlernen müssen, weil er von seiner Kunst nicht leben konnte. Er arbeitete zwischen 1960 und 1970 im elterlichen Betrieb. Ab 1970 arbeitete er nach eigenen Angaben als Herrschaftsgärtner bei einer wohlhabenden Familie. Wo genau, das ist unklar.

Malen wird zum Beruf

1983 schliesslich macht Willi Ingold sein Hobby zum Beruf. Mit seiner Familie verlässt er Cham und zieht wohl via Davos nach Losone – zumindest ist sein Wohnsitz in Losone belegbar. Ingold ist ein Schnellmaler. Für ein Bild benötigte er nach eigenen Angaben etwa eine Woche. Er zieht mit seinen Malutensilien durch die Schweiz, um in verschiedenen Städten Sujets zu suchen und zu malen. Ab und zu besucht er seine Mutter und seine Schwester in Cham. 1992 bezieht er einen weiteren Wohnsitz in Zuoz im Engadin und lebt dort sowie in Losone.

Freunde hätten ihm vom Schritt in die professionelle Malerei abgeraten – davon könne man nicht leben. «Ich habe es dennoch versucht», sagte Ingold gegenüber der «Aargauer Zeitung». Er scheint erfolgreich gewesen zu sein. Er malte publikumswirksam, indem er seine Staffelei immer dort aufstellte, wo Betrieb war. Viele seiner Werke verkaufte er so an Passanten. Er verlangte durchschnittlich 2500 Franken für ein Bild.

Ingolds Erfolg erklärt sich wohl auch dadurch, dass er immer gegenständlich gemalt hat. «Ich lehne das Abstrakte nicht ab, aber wieso soll ich etwa anderes malen, als das, was ich sehe?», sagte er 2002 dem Lokaljournalisten. Auch wenn Willi Ingold 1983 seiner Heimat Cham den Rücken gekehrt hat, er bleibt ein wichtiger Zeitzeuge und bildlicher Erzähler der Entwicklung des Ortes. So schreibt Historiker und Mitglied der Chamapedia-Redaktion Thomas Fähndrich im entsprechenden Eintrag: «Willi Ingold hat Sujets in Cham gemalt, als sich die Gemeinde sehr schnell entwickelt und verändert hat. Alte Häuser mussten neuen weichen, unbebautes Land wurde überbaut. Er hat diesen Umbruch dokumentiert, indem er die alte Situation festhielt, bevor das Neue entstand.»

Man hat seine Bilder wohl auch deshalb erworben, weil man eine Erinnerung an das Vergangene haben wollte, so Fähndrich. «Willi Ingold ist bereits als junger Mann aufgefallen. Er war sehr gross, hatte eine gebeugte Körperhaltung und lange, schwarze, sehr buschige Haare, und er fuhr einen uralten VW-Käfer.» Bilder dieses einheimischen Malers dürften bis heute in Chamer Wohnungen zu finden sein, ist Fähndrich überzeugt. Im Pfarramt hänge heute noch das Bild der Pfarrkirche St. Jakob, das Willi Ingold gemalt habe.

Ein guter Geschichtenerzähler

Willi Ingold scheint neben der Malerei ein Flair fürs Geschichtenerzählen gehabt zu haben. So heisst es in der «Aargauer Zeitung» damals: «Einem algerischen Ölscheich habe er ein Bild von fünf Pferden verkauft: ‹Von 8000 Franken hat er mich auf 2500 hinuntergemärtet› – und staune heute noch über den Algerier: ‹Ich konnte gar nichts machen.›»

Oder: «Pferde waren auch auf dem Bild, welches er für alt Bundesrat Otto Stich (1983 bis 1995) malte.» Zudem erzählte der Künstler, dass er das Elternhaus des ehemaligen Zuger Bundesrats Hans Hürlimann gemalt habe.

Gemäss Thomas Fähndrich lassen sich zahlreiche von Ingolds Erzählungen oder Stationen seines Lebens nicht belegen. Nachfolgende ist aber nachweislich falsch: Ingold erzählte ab und an, sein Grossvater sei der berühmte Felix Ingold gewesen, der die Kirchenfeldbrücke in Bern gebaut habe. Willi Ingold starb 2016 in Zuoz. (Text von Harry Ziegler)


Hinweis

Dieser Artikel ist Teil der Serie «Zuger Dorforiginale». In loser Folge beschäftigen wir uns darin mit Dorforiginalen in den Zuger Gemeinden.